Der Pensionär Rudolf Wattinger fährt aus einer Parklücke. Plötzlich kracht‘s! Ein anderer Autofahrer fährt in seinen Wagen. Das Heck des Rovers 600 ist massiv eingedrückt.
Forum:
Die beiden Lenker klären den Schaden vor Ort und gemäss Rudolf Wattinger nimmt der andere Lenker die Schuld auf sich. Im guten Glauben, die Versicherung des anderen Lenkers übernehme den Schaden, fährt das Ehepaar Wattinger heim.
Bald meldet sich der Schadenexperte der AXA Winterthur, die Versicherung des anderen Lenkers. Er habe den Schaden begutachtet und die AXA Winterthur würde in diesem Fall eine Schadensumme von 4000 Franken auszahlen. Eine Reparatur lohne sich nicht mehr. Deswegen würde die Versicherung den Wagen übernehmen. «Der Schadenexperte der AXA Winterthur meinte, ich solle das Eigentumsübertragungs-Formular rasch unterschreiben, damit ich schnell das Geld bekomme», erklärt Rudolf Wattinger. Im Glauben, alles würde einfach abgewickelt und dass er keine Schuld am Unfall trägt, unterschreibt der 81-Jährige das Formular. Das Auto geht an die AXA-Winterthur.
Service:
Zuerst schien alles zu klappen
Der Grüne Rover 600, den Rudolf Wattinger sorgsam pflegte, wird einige Tage darauf abgeholt. Währenddessen klärt die AXA Winterthur die Schuldfrage und kommt zum Schluss, dass Rudolf Wattinger nun doch die Schuld trage. Plötzlich lehnt sie jede Haftung ab: «Da Sie rückwärts ein Parkfeld verlassen haben, waren Sie (…) vortrittsbelastet. Ein Mitverschulden am Zustandekommen dieser Kollision kann ihm (dem anderen Fahrer, Anmerkung der Redaktion) nicht angelastet oder rechtsgenüglich nachgewiesen werden. Es ist uns deshalb nicht möglich, uns an Ihrem Fahrzeugschaden zu beteiligen», schreibt die AXA Winterthur.
Endstation Afrika
Das Auto wird kurz darauf für den Export an einen Zwischenhändler in Arlesheim versteigert. Rudolf Wattinger kriegt anstelle der zugesprochenen 4000 Franken nur noch 23.50 Franken, der Versteigerungspreis von 303.50 Franken, abzüglich Transportkosten. Das macht Rudolf Wattinger richtig sauer: «Da fühle ich mich richtig über den Tisch gezogen!» Er habe dem Schadenexperten geglaubt, dass alles klar sei, sonst hätte er doch nie eine Eigentumsübertragung seines geliebten Autos unterschrieben. «Ich hätte in diesem Fall wenigsten die neuen Winterpneus und die Alufelgen für mich übernommen. Jetzt könnte ich diese bei meinem neuen Rover, dem gleichen Modell, wieder verwenden.»
«Kassensturz»-Recherchen ergeben: Rudolf Wattingers geliebtes Auto ist bereits auf dem Weg nach Afrika. Für den Pensionär ist der Wagen somit endgültig verloren. «Was wollen denn die in Afrika mit meinen Winterreifen?», fügt Rudolf Wattinger hinzu.
Die AXA bleibt stur
Von «Kassensturz» auf diesen Fall angesprochen, gibt sich die Versicherung stur. In der Eigentumsübertragung stehe klar: «Bei der Unterzeichnung der vorliegenden Vereinbarung ist noch unklar, ob die AXA aus dem Versicherungsvertrag für den Schaden am (…) genannten Fahrzeug aufkommen muss. Die Vereinbarung wird daher unabhängig von der Frage einer Leistungspflicht der AXA abgeschlossen.» Somit habe Herr Wattinger kein Anrecht auf das Fahrzeug.
Für Versicherungsexperte Ruedi Ursenbacher ist dieses Vorgehen sehr fragwürdig, da dem Fahrzeughalter die Möglichkeit genommen wird, selber zu entscheiden, ob er das Fahrzeug noch reparieren lassen will: «Ich finde das überhaupt nicht korrekt. Ein Versicherer kann dann eine Autoverwertung machen, wenn die Haftung klar ist und wenn er die Entschädigung auch effektiv ausbezahlt. Ansonsten geht ihn dieses Auto nichts an.»
Aber auch da kontert die AXA Winterthur: «Jährlich nutzen rund 10‘000 Fahrzeughalter die Verwertung durch die AXA Winterthur und schätzen diesen Service sehr, da sie sich nicht selber um die Verwertung des Wagens kümmern müssen.»
So viel Service hat sich Rudolf Wattinger sicherlich nicht gewünscht. Er hatte mit dem AXA-Service mehr Kosten, als wenn der Versicherer sich bei der Fahrzeugentsorgung rausgehalten hätte.