Jedes dritte Kind kommt in der Schweiz inzwischen mittels Kaiserschnitt zur Welt – ein Fakt, der nicht allein auf die medizinische Notwendigkeit zurückzuführen ist. Als Begründung dafür müssen häufig die Schwangeren selbst herhalten: Mitverantwortlich sei die zunehmende Anzahl der Wunschkaiserschnitte. Dieses Argument aber kann Marianne Haueter, Präsidentin der Sektion Bern des Schweizerischen Hebammenverbands SHV, nicht nachvollziehen. «Die grosse Mehrheit wünscht sich eine normale Geburt», bekräftigt sie. «Die Geburtshilfe heute ist angstgeprägt. Das führt dann zu unnötigen Interventionen und dazu, dass wir heute eher schon die normale Geburt rechtfertigen müssen.»
Eine der Ursachen sehen die Berner Hebammen darin, dass in der Schweiz die ärztlich geleitete Geburtshilfe üblich ist. Die natürliche Folge: Die Spontangeburt als ganz natürliches Ereignis weicht immer mehr der Einstellung, dass die Geburt ein medizinisches Ereignis ist. Frauen werden schon im Vorfeld zunehmend mit Risiken konfrontiert, «für sie sind solche Informationen aber oft Nullinformationen, sie können mit solchen statistischen Werten und Risikokalkulationen für ihren individuellen Fall nichts anfangen.» Im Gegenzug dazu sind die werdenden Mütter oft relativ schlecht über die natürliche Geburt informiert.
Schwangerschaft ist keine Krankheit
Diese Situation ist für Frauen, aber auch für Hebammen unbefriedigend. Marianne Haueter erstaunt es deshalb nicht, dass viele Spitäler sich schwer tun damit, ihre Hebammenstellen zu besetzen. Auch dieses Dilemma könnte durch eine Aufwertung des Hebammenberufs und eine Ausweitung von des Wirkungskreises der Hebammen gelöst werden.
Die Idealvorstellung der Hebammen: Sie betreuen die Frauen in der Schwangerschaft, während der Geburt und in den Wochen danach, denn eine normal verlaufende Schwangerschaft sei keine Krankheit, die einer hochspezialisierten Medizin bedürfe. «Das schliesst ja nicht aus, dass nach Bedarf auch andere in die Betreuung einer Frau einbezogen werden – zum Beispiel, wenn eine gynäkologische Abklärung erforderlich ist», sagt Marianne Haueter. Solche «Hebammen-Einheiten» könnten an Spitäler angeschlossen sein, um auch für Notfälle gewappnet zu sein und um von deren Infrastruktur zu profitieren.
Zurück in die Zukunft
In skandinavischen Ländern, in England und Deutschland sind die Erfahrungen mit solchen Modellen gut. Auch die Schweiz blickt auf gute Erfahrungen zurück – doch die liegen bereits Jahrzehnte zurück. «In den 60er Jahren waren hebammengeleitete Geburten in der Schweiz noch ganz normal, danach wurden sie durch Spitalgeburten abgelöst», sagt Marianne Haueter.
Dagegen wendet sich nun der Schweizerische Hebammenverband. Die Sektion Bern verlangt in einer Petition die Einführung hebammengeleiteter Geburtshilfemodelle in Schweizer Spitälern. Sie soll schliesslich den Gesundheitsdirektionen aller Kantone und den Spitälern mit Geburtshilfeangeboten überreicht werden. Vorgestellt wurde die Petition im Rahmen des Schweizer Hebammenkongresses 2013 zum Thema «Geburtshilfliche Versorgung neu gestalten: Das Potential der Hebammen nutzen!»