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Blick auf die biologische Uhr

Erst die Karriere, dann die Kinder: Viele Frauen planen ihre Familie mittlerweile so. Und lassen dabei völlig ausser Acht, dass die berühmte «biologische Uhr» tatsächlich tickt. Das Ende vom Lied sind nicht selten leere Kinderzimmer.

Schweizerinnen sind im Schnitt bei der Geburt ihres ersten Kindes inzwischen bereits 32 Jahre alt. Denn viele Frauen möchten sich erst einmal im Beruf verwirklichen, die Welt sehen, ihre Ungebundenheit geniessen, bevor das Leben zwischen Kinderzimmer und Konferenzraum beginnt. Doch: Je später die Entscheidung pro Kind fällt, desto schwieriger kann es sein, schwanger zu werden.

Wie viel Zeit einer Frau noch bleibt um schwanger zu werden, ermittelt ein neuer Gentest, der am Unispital Basel entwickelt worden ist. Er ist nicht unumstritten: Kritiker werfen ihm vor, allein auf statistischen Werten zu basieren. Er bestimme lediglich, wie oft eine Genvariante bei einer bestimmten Gruppe vorkommt. Auf den einzelnen Fall übertragen liessen sich die Ergebnisse deswegen nicht. Langzeitstudien? Fehlanzeige. «Der Test ist entwicklungsfähig», kritisiert Bruno Imthurn, Direktor der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie des Unispitals Zürich. «Der Test, so wie er jetzt ist, ist aber nicht präzise – und das ist das Problem.»

Ein Blick ins Erbgut

Christian de Geyter, Chefarzt der Reproduktionsmedizin am Universitätsspital Basel, nimmt diese Kritik durchaus an. Der Gentest ist ein Nebenprodukt eines grösseren Forschungsprojektes, das sich mit der genetischen Ursache für das frühzeitige Eintreten einer Menopause befasst. «Der Gentest hat eine gewisse Korrelation mit dem Risiko, vor dem 40. Lebensjahr in die Menopause zu kommen», erklärt Christian de Geyter. «Aber es kann auch sein, dass der Test negativ ausfällt und eine Frau trotzdem fünf Kinder bekommt – das kann man so genau nicht vorhersagen.»

Christian de Geyter hat täglich mit Paaren zu tun, bei denen es mit dem Nachwuchs einfach nicht klappen will. Diese Paare werden immer älter, weil sie mit der Familienplanung immer später beginnen. Dem Problem will de Geyter schon im Vorfeld begegnen, indem er jüngeren Frauen sagen kann, wie viel Zeit ihnen noch zur Familiengründung bleibt. Der Gentest soll aber auch klären, wie sich die Eierstöcke im individuellen Fall im Rahmen einer künstlichen Befruchtung anregen lassen.

260 Franken für einen Blick in die Zukunft

Dies will er mithilfe eines Tests machen, der eine Erbgutvariante ermittelt. Der «Polymorphismus des Östrogenrezeptors» kommt bei unfruchtbaren Frauen vermehrt vor – und bei Frauen, die nur noch über eine geringe Eierstockreserve verfügen, die also eierstockmässig älter sind als ihr tatsächliches Alter. Aus diesen Gründen müsse die Genvariante Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit haben, schlussfolgern die Forscher. Lässt sich also ein «Polymorphismus des Östrogenrezeptors» nachweisen, sind laut den Basler Forschern auch Aussagen über die Zeitspanne möglich, die einer Frau für eine mögliche Schwangerschaft noch zur Verfügung steht.

260 Franken kostet dieser Blick in die Zukunft, Krankenkassen steuern nichts dazu bei. Jede Frau kann ihn durchführen, das Ergebnis teilt dann der Arzt mit.

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