Mit einem Schlag war alles anders. Marco Bonetti träumte von seiner Explosion – alles flog in die Luft, neben ihm wirbelten ein Arm und ein Bein. Die Apokalypse fand tatsächlich statt. In seinem Kopf. Diagnose: Hirninfarkt. Sein Arm und sein Bein waren gelähmt, und die Sprache war praktisch weg. Das war vor gut neun Jahren. Heute merkt man dem 69-Jährigen nichts mehr an. Er spricht fliessend, bewegt sich wie ein Wiesel, werkelt an seinem Haus und geniesst den Ruhestand.
Ungefähr alle zwei Stunden spielt ihm das Sprachzentrum im Gehirn trotzdem einen Streich und ein Wort in einem Satz will ihm partout nicht einfallen. Ein paar Minuten später ist es dann in der Regel da.
Mit unermüdlichem Einsatz hat er nach dem Schlag das Laufen, sich waschen und das Sprechen wieder gelernt. Dass er die Rehabilitation mit so grossem Ehrgeiz angepackt hat, kam nicht von ungefähr: Der gelernte Steindrucker hat auf dem zweiten Bildungsweg die eidgenössische Matur nachgeholt und anschliessend an der ETH Zürich Chemie studiert und – wenn schon, denn schon – auch gleich doktoriert. Aber nicht nur der Ehrgeiz hat ihm geholfen, nach dem Schlag wieder zu genesen. Seine verlorene Sprache hat er mit Hilfe des Singens mit anderen Aphasikern wieder gefunden – alles Menschen, die nach einer Hirnverletzung in ihrer Sprache beeinträchtigt sind.
Anfänglich sang er im Aphasiechor Luzern, und weil es in der Region Bern keinen solchen Chor gab, hat er kurzerhand den Aphasiechor Bern gegründet, die «Aphasingers». Mittlerweile singt Marco Bonetti nicht nur in den Aphasiechören in Luzern und Bern mit, sondern auch noch in einem Gospelchor.