Chatprotokoll
Ich bin überzeugt, dassmein Gottebueb an Adhs leidet. Leider lehnen seine Eltern „Chemie“ strikt ab und halten auch nichts von Schulmedizin. Gibt es auch pflanzliche Mittel oder alternative Therapien, die in Frage kommen?
Ursula Davatz: Ja. Unterstützung der Eltern im Umgang mit diesem Kind. Allenfalls Neurofeedback für das Kind. Klare Tagesstruktur. 1. Da ADHS und ADS als Krankheit angesehen wird, denken Mediziner inkl. Psychiater sowie auch Lehrer und Eltern an erster Stelle an medikamentöse Behandlung. 2. Durch die medikamentöse Behandlung wird aber nur das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom angegangen. Das heisst, die Kinder werden an unsere Leistungsgesellschaft angepasst. 3. Was fehlt, bei dieser rein medikamentösen Therapie, ist die Anpassung des Umfeldes an die Bedürfnisse und Eigenheiten dieser Kinder. Man achtet somit nicht auf einen persönlichkeitsgerechten Umgang mit diesen Kindern, vergleichbar mit einer artgerechten Tierhaltung. 4. Durch einen persönlichkeitsgerechten Umgang dieser Kinder in der Familie wie auch in der Schule könnten viele Folgekrankheiten verhindert werden. 5. Eltern und Lehrer von Kindern mit ADHS und ADS sollten deshalb einen niederschwelligen Zugang zu diesem Know-how haben, um präventiv tätig sein zu können. 6. Lehrer sollten obligatorisch in ihrer Ausbildung sowie auch in ihrer Fort- und Weiterbildung entsprechende Instruktionen erhalten. 7. Vortrag zum Thema ADHS und Erziehung zum Anhören: https://schizo.li/2018/10/20/adhs-und-erziehung/
Ich ärgere mich häufig über Kleinigkeiten und brause dann schnell auf obwohl die Angelegenheit oft nicht wirklich schlimm empfunden wird. Manchmal weiss ich selber bicht so recht wieso. Kann das adhs sein?
Ursula Davatz: Ja könnte sein. Meine allgemeinen Überlegungen zum ADHS/ADS sind: 1. ADHS und ADS ist keine Krankheit sondern ein genetisch vererbter Persönlichkeitstyp. Kennzeichen: - hohe Sensitivität – leichte Verletzlichkeit - leichte Übererregbarkeit - hohe Impulsivität nach aussen; motorisch bei ADHS nach innen, gedanklich bei ADS 2. Kindern mit ADHS und ADS darf man nicht „Nein“ sagen, keine sogenannten Grenzen setzen, da sie mit ihrer Impulsivität sonst auflaufen, ADHS-ler noch aggressiver werden und ADS-ler sich nach innen autistisch zurückziehen in ihre Gedankenwelt. 3. Man muss vielmehr zuerst ihre Motivation zu ihrer impulsiven Reaktion herausfinden durch Beobachtung von Reaktionsmuster in bestimmten kontextuellen Zusammenhängen, sie in ihrer Verletzung validieren, dann dort abholen und ihre Energie umleiten in eine situationsgerechtere Problemlösungsstrategie. 4. Man muss Menschen mit AD(H)S zur Kooperation motivieren und nicht zu Gehorsam und Unterordnung. 5. Man muss mit ihnen in den Prozess einsteigen, da sie sehr schnell sind und den Interaktionsprozess und impulsive Energie dann anders leiten, sie nicht in ihrem Prozess abstoppen. 6. Siehe auch: https://youtu.be/rw46jbZpt5E?t=1191
Ich habe mich selber in der Patientin zu 100% wieder erkannt. Kann man einfach zum Hausarzt gehen und eine solche Abklärunh wünschen? Oder wie geht man am besten vor?
Ursula Davatz: Nein der Hausarzt kann die Abklärung nicht machen. Eher zu einer Psychiaterin oder einem Psychologen gehen, der/die sich mit ADHS auskennt. Für mich ist ADHS keine Krankheit sonder nur ein Persönlichkeitstyp, der genetisch vererbt wird. 1. Sämtliche psychische Krankheiten, die mit ADHS und ADS kombiniert vorkommen, bezeichne ich als Folgekrankheit. 2. Es gilt die ADHS/ADS Symptome bzw. Eigenschaften hinter der psychischen Krankheit zu erkennen. 3. Die Patienten fühlen sich dadurch besser verstanden und haben selbst auch bessere Einsicht in ihre Persönlichkeit und wie sie funktionieren. So können sie auch besser mit sich umgehen und allenfalls entsprechende Anpassungen machen an ihre Situation und ihr Umfeld, ohne sich zu verurteilen. 4. Weitere Informationen zum Thema: https://schizo.li/2018/12/06/epigenetisches-potential-in-der-psychiatrie/
Ich bin in der Ausbildung zur Lehrperson und betreue in meiner Praktikumsklasse vor allem ein Kind mit ADHS und ein anderes mit einer diagnostizierten LRS. Was ist genau der Unterschied der beiden Krankheitsbilder?
Andreas Müller: die beiden Krankheitsbilder unterscheiden sich grundlegend. Eine Lese- und Rechtschreibschwäche ist definiert durch verschiedene Wahrnehmungs- und Verarbeitungsmodalitäten (visuell, auditiv). Eine Aufmerksamkeitsstörung ist definiert durch verschiedene Funktionen wie Aufmerksamkeit und exekutiven Funktionen (exekutive Funktionen sind in der groben Form planen, steuern und kontrollieren). Beide Störungsbilder können auch gemeinsam auftreten.oft sehen wir in der neurobiologischen Perspektive Schwierigkeiten in der Steuerung auch bei Kindern mit Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten. Die Therapie ist ebenfalls sehr verschieden: Während bei lese und Rechtschreibschwierigkeiten vor allem Wahrnehmungsmodalitäten trainiert werden, sind es bei ADHS vor allem Aufmerksamkeit und exekutiven Funktionen.
Guten Tag. Ich bin nun 22 Jahre alt. Als zehn Jahre alt war, wurde bei mir ADHS diagnostiziert. Ich war sehr hyperaktiv und auffällig. Ich hatte mehrere Therapien und habe auch einige Jahre das Ritalin und Concerta eingenommen. Die Nebenwirkungen waren aber zu stark. Nun habe ich das Gefühl, dass es wie ausgewachsen ist? Ist das möglich? Ich bin nicht mehr hyperaktiv. Habe nur noch mühe, mich länger zu kontentrieren oder bei Mathe ( Dyskalkulie). Sonst habe ich das Gefühl, dass alles wie weg ist
Daniela Gessler: Es ist möglich, dass sich Ihre ADHS Symptomatik über die Jahre hinweg verändert. Einige Symptome können sich in Intensität abschwächen oder wandeln (Hyperaktivität in der Kindheit z.B. äussert sich bei Erwachsenen oft als innere Unruhe). Man geht davon aus, dass sich die Symptome bei ca 1/3 der von ADHS betroffenen Kinder auswachsen, ein weiteres Drittel zeigt keine Symptome mehr im Pensionsalter. Ob ein ADHS im Alltag stört, hängt zudem stark vom sozialen und beruflichen Umfeld ab. Sind diese auf die eigenen Interessen abgestimmt (z.B. Sport in der Freizeit, kreativer, handwerklicher Beruf), ist die ADHS Symptomatik oft nur noch geringfügig bemerkbar.
zwei erwachsene söhne haben adhs. einer bekommt ritalin auf krankenkasse, der andere nicht. bräuchte es eine neue abklärung? die abgabe durch einen psychiater erfolgt ohne regelmässige gespräche. ist dies so gut?
Daniela Gessler: Oft verlangen Krankenkassen beim Übertritt vom Kindes- ins Erwachsenenalter eine erneute Abklärung. Dies da sich bei gewissen Erwachsenen die Symptomatik auswachsen kann sowie bei Erwachsenen meist eine andere Dosierung der Medikation (aufgrund des Körpergewichtes) sowie andere Präparate verwendet werden (anstatt Ritalin, z.B. Concerta oder Focalin). Neben Medikation können psychotherapeutische Massnahmen unterstützend helfen, z.B. ein gezieltes ADHS Coaching, Gruppentherapie mit anderen ADHS Betroffenen oder einzeltherapeutische Gespräche, um auch soziale und berufliche Faktoren zu berücksichtigen, welche sich negativ auf die ADHS Symptomatik auswirken können.
Ich bin Mutter von einem ADHS Kind. Er hat Methyphenidat und Strattera. Er ist aber nach wie vor sehr sehr anstrengen und die Geschwister leiden darunter. Leider haben wir als Eltern keinerlei unterstünttung um das zu verarbeiten. Gibt es keine Selbsthilfegruppen?
Ursula Davatz: Als Eltern von ADHS Kinder lohnt es sich unbedingt in eine spezifische Elternberatung zu gehen. Wir bieten in unserer Praxis eine solche an, siehe http://ganglion.ch/
Guten Abend Mein Sohn ist 4Jahre alt sehr impulsiv wenn man mit im spricht hört er nicht lange zu. Wird nie müde. Er hat einen geregelte Tagesstruktur ist viel draussen. Könnte es Adhs sein? Und ab wann kann man es abklären?
Ursula Davatz: Nein, ich würde mich eher als Eltern beraten lassen, wie man besser umgehen kann mit dem ADHS Kind. Das Coaching der Eltern hat einen grösseren Einfluss als die Therapie des Kindes.
Ich, 58 j, habe adhs (abgeklärt), auch schon in der kindheit. Seit jahren nehme ich medikamemte, zuerst focalin, jetzt seit ein paar monaten elvanse 30 mg. kann ich das mittel auch nur bei bedarf einnehmen oder sollte ich es wirklich jeden tag einnehmen. lg und vielen dank
Daniela Gessler: Die Medikamente, welche zur Behandlung der ADHS Symptomatik eingesetzt werden, können problemlos als Bedarfsmedikation eingenommen werden. Im Gegensatz zu z.B. einem Antidepressiva machen Präparate wie Focalin, Concerta und auch Elvanse keinen Spiegel, können daher sehr gezielt genommen bzw. weggelassen werden. Viele erwachsene Patienten nehmen eine Medikation z.B. nur noch in Prüfungssituationen oder bei einem Vorstellungsgespräch ein oder lassen diese z.B. konsequent am Wochenende weg.
Guten Abend - ich bin Jahrgang 1953 - hatte bisher keine Zeit, mir über das "Zappelphilipe-Syndrom bei mir gross Gedanken zu machen. Ich verzettle mich dauernd in meinem Tageszeitfenster, finde kaum Ruhe und schlafe seit Jahrzehnten nur zwischen 4-5 Stunden pro Nacht. Ich habe während 30 Jahren voller Berufstätigkeit 3 Kinder und mit einer Berufspause von mehr als 10 Jahren 3 Kinder und 4 Grosskinder grossgezogen. Immer strebe ich nach Perfektion. Habe ich ADHS?
Andreas Müller: sie haben in ihrem Leben wirklich viel geleistet, scheinen immer auf Draht zu sein. die innere Unruhe, die sie beschreiben heisst noch nicht zwangsläufig, dass sie eine Aufmerksamkeitsstörung haben. Ausserdem sind sie bereits in einem Alter, in welchem eigentlich keine Aufmerksamkeitsstörungen mehr diagnostiziert werden (höchstes Alter: 55). Das Verzetteln oder wie ich manchmal sage, die mangelnde Fokussierung ist vielleicht ein Hinweis auf Aufmerksamkeitsschwierigkeiten. auch das geringe Schlafbedürfnis ist noch nicht unbedingt ein Hinweis. Die Frage ist natürlich, was Ihnen eine entsprechende Diagnose letztlich bringen würde. OK, sie könnten Medikamente nehmen, wobei noch gar nicht sicher ist, ob Ihnen die typischen ADHS Medikamente auch helfen würden. Ich wäre da eher zurückhaltend und würde Ihnen eigentlich lieber Anraten, wenn sie mal etwas freie Zeit haben nach draussen zu gehen und Sport zu machen. In der letzten Zeit haben sich viele Studien ergeben, in denen gezeigt werden konnte, dass Bewegung und Entspannung viel zu einer besseren inneren Unruhe beitragen.
Guten Tag. Wie wichtig ist es für ein 10jähriges Kind mit der Diagnose ADHS eine Psychotherapie zu besuchen? Ist dies empfehlenswert? Sollte dies eine Einzeltherapie oder Gruppentherapie sein?
Ursula Davatz: Ich erachte es als wichtiger, dass die Eltern einen Kurs besuchen, welcher Ihnen den persönlichkeitsgerechten Umgang mit ADHS Kindern lehrt.
Bei mir wurde es mit 30jahren diagnostiziert. Hatte dann concerta bekommen aber ich wurde ab mittsg noch viel kribeliger als ohne medikament. Wüssten sie evt einen grund dazu?
Andreas Müller: ich gehe davon aus, dass bei Ihnen Concerta bis zum Mittag half. Am Nachmittag wurden sie dann wieder kribbeliger. Es gibt tatsächlich Patienten, die verbrauchen ein Medikament viel schneller als andere. Deshalb sollten sie mit ihrem Arzt besprechen, ob sie nicht am Mittag nochmals 1 Dosis nehmen sollten. Wir versuchen aufgrund von Hirnfunktionsmessungen immer herauszufinden, ob die Medikation mittels Methylphenidaten (Ritalin, Concerta, etc.) überhaupt sinnvoll ist. Manchmal helfen andere Medikamente besser.
Bei mir wurde POS im Kindesalter diagnostiziert. Nun bin ich längst erwachsen, habe aber immer noch eine ständige Unruhe in mir und habe mühe mich zu konzentrieren. Ich habe mir überlegt, allefalls mal Ritalin auszuprobieren. Welche Risiken und Nebenwirkungwn hat das? Und gibt es auch andere Medikamente?
Ursula Davatz: Eine Regelmässigkeit im Leben einführen. z.B eine Sportart, ein Musikinstrument, ein Hobby, ein Interesse vertiefen. Sich für ein Thema/Tätigkeit versuchen zu begeistern. Sie können ruhig Ritalin auch einmal ausprobieren unter ärztlicher Begleitung und dann den Unterschied selber feststellen. Die Kreativität kann durch Ritalin unterdrückt werden, es kann Appetitverlust auftreten. Man soll Ritalin nicht am Abend einnehmen, weil es den gesunden Schlaf unterbindet; es ist ein Weckamin.
Guten Abend Wie unterscheiden sich Symtome von ADHS und ADS im Erwachsenenalter.
Andreas Müller: grundsätzlich ist es so, dass nach dem neuen DSM 5 Katalog keine Unterscheidung mehr gemacht wird zwischen ADHS und ADS. Die Unterscheidung zeigt sich in einer erhöhten inneren Unruhe auf der einen Seite (ADHS) und einer relativen Antriebslosigkeit bei ADS. Aufgrund von Hirnfunktionsmessungen lässt sich jeweils schön zeigen, ob bei einem Patienten die sensorische Aufmerksamkeit (traditionell ADS) vermindert ist und so ein häufiges Abdriften entsteht. Bei ADHS Patienten (im üblichen Sinn die Hyperaktiven sind es aber oft verminderte Steuerungs- und Kontrollfunktionen.
Guten Tag Ich bin 25 Jahre alt. Viel stelle mich selber unterdruck in der Schule, und kann nicht gut mit schlechten Noten umgehen. Das gib mir riessen Druck und kann nicht abschalten. Sogar wenn ich Weg bin denke ich an die Schule. Auch beim Arbeiten habe ich rissen Druck. Ich möchte alles miteinander machen. Manchmal habe ich auch wut ausbrüche und bin vor mir selber entäuscht. Könnte das ADHS?
Daniela Gessler: Nicht selten ist eine ADHS Symptomatik mit einem erhöhten Anspruch an sich selbst und seine eigenen Leistungen gepaart. Oft machen Personen mit ADHS in der Kindheit die Erfahrung, dass sie schlechte schulische Leistungen nach Hause bringen, trotz starken Bemühungen und viel Lernaufwand. Dies schlägt sich in einem geringeren Selbstwertgefühl nieder, was wiederum den Druck auf sich und die eigene Leistung erhöht. Dies kann sich dann in Wutausbrüchen äussern, wenn ein gewisses Stresslevel erreicht ist. Oft braucht es dann nur kleine Auslöser dazu. Falls Sie daran interessiert sind, genauere Abklärungen diesbezüglich vorzunehmen, um für sich klar darüber zu werden, ob dies im Rahmen einer ADHS Symptomatik einzuordnen ist, empfehle ich Ihnen, sich mit Ihrem Hausarzt in Verbindung zu setzen und eine allfällige Überweisung vorzunehmen für ein unverbindliches Erstgespräch z.B. in unserer Sprechstunde am Ambulatorium Aarau.
Was können wir noch machen, wenn die Medikamente Ritalin, Concerta und Strattera bei der Diagnose ADS bei unserem Sohn 17 J. nicht gewirkt haben?Diagnose seit einem halben Jahr.
Ursula Davatz: Haben Sie sich schon als Eltern beraten lassen? Ich empfehle eine Familienberatung bei einer Fachperson die sich auskennt mit ADHS. ADHS20+ ist eine gute Anlaufstelle: https://adhs20plus.ch/
Guten Abend, ich( jetzt 39) habe die Abklärung gemacht wegen ADHS vor gut 3 Jahre. Aber irgndwie weiss ich nicht genau wo ich am besten Hilfe finde. Habe auch schon mit Ritalin probiert. Aber habe selber nichts gemerkt. Kann das sein? Danke zum voraus.
Daniela Gessler: Am Ambulatorium Aarau bieten wir diverse Angebote an neben medikamentöser Behandlung: Gruppentherapie "Stressbewältigungstraining bei Erwachsenen mit ADHS", ADHS-Coaching für das Angehen von gezielten Problemenfelder im Alltag sowie einzeltherapeutische Massnahmen. Eine Gruppentherapie bietet die Möglichkeit eines Austausches mit ADHS Betroffenen, wovon die Teilnehmenden sehr profitieren, da "alle im selben Boot sitzen" und man so Tipps und Tricks sowie Schwierigkeiten austauschen kann. Es kann sein, dass Ritalin nicht das richtige Präparat für Sie war oder aber die Dosierung zu niedrig war, als dass Sie eine Wirkung verspürt haben konnten. Menschen reagieren unterschiedlich auf Medikamente, weshalb es mehrere unterschiedliche Präparate zur Behandlung von ADHS Symptomatik gibt (z.B. Focalin, Concerta, etc).
Guten Abend! Sind Kinder mit ADHS zwangsläufig schlecht in der Schule? Kann ein Kind "ein bisschen" ADHS und "ein bisschen" ASS haben, dazu noch hochsensibel und hochbegabt sein? Wie unterscheidet man das Eine mit dem Anderen, bzw. blickt bei diesem Wirrwarr überhaupt jemand durch? Vielen Dank!
Andreas Müller: Gehen wir eines nach dem anderen an: Sind Kinder mit ADHS zwangsläufig schlecht in der Schule? Nein, natürlich nicht, Kinder mit ADHS haben oft gute Möglichkeiten, vor allem wenn sie gut eingestellt sind. Kann ein Kind "ein bisschen" ADHS und "ein bisschen" ASS haben? Ja natürlich, jede Funktionsstörung kann sehr stark sein oder etwas abgeschwächt. Alle Funktionen sind letztlich auf einer Skala von sehr stark bis sehr schwach ausgeprägt. beide Störungsbilder sind durch Eigenschaften geprägt, die bei jedem von uns ebenfalls vorkommen. Die Frage ist nur wie stark sie ausgeprägt sind. Die Frage der Hochsensibilität ist ebenfalls bei beiden Störungsbildern immer auch zu beantworten. Dies lässt sich mittels evozierten Potenzialen gut darstellen. Die Frage der Hochbegabung ist dann nochmals eine andere. Dies lässt sich über Tests herausfinden. Letztlich geht es aber um eine Gesamtschau, wo es entscheidend ist, dass alle Faktoren miteinander angeschaut werden und dann gilt es den Finger dahin zu legen, wo es für den einzelnen Patienten am wichtigsten ist.
Guten Abend, wenn ich einige Dinge erledigen muss, muss ich die alle auf einmal erledigen und jetzt gerade, ich kann nicht die Dinge auf die Seite legen und warten. Weiter kommt es vor, dass ich Arbeiten stehen lasse und Dinge, die mir gerade in Sinn kommen erledigen muss. Dann komm ich in einen inneren Stress. Auch wenn Dinge nicht so laufen wie sie "sollten" komme ich auf Hochtouren und bin gestresst. Dinge die unklar sind oder nicht gerade lösbar bringen mich in Verzweiflung. Ist das ADHS?
Ursula Davatz: Ja, klarer Fall. Menschen mit ADHS wollen alles auf einmal und perfekt lösen. Bill Gates will das auch. Er hat auch ADHS. Versuchen Sie die Dinge im engsten Sinne der Wortes "auf die Reihe zu bringen", d.h. ein Ding nach dem anderen. Kein paralleles Abarbeiten von Aufgaben. Seriell vorgehen. Sich nicht ablenken lassen, sondern auf ihrer Zielspur bleiben. Nicht zu viel aufs Mal und immer Denken: Morgen ist auch noch ein Tag. Nur eine kurze Todo-Liste führen. Einen Ablauf zu Ende führen, nicht in der Mitte unterbrechen. Versuchen eine Regelmässigkeit in ihrem Alltag zu installieren.
Guten Abend. Schon vor ca. 3 Jahren habe ich mich gefragt, ob ich nicht evtl. ADHS habe. Bin nun 34-jährig. War immer hyperaktiv, hypersensibel, machte vieles am Liebsten gleichzeitig, fand den Ausgleich in verschiedenen Sportarten, habe drei abgeschlossene Berufe, wechselte oft die Arbeitsstelle, vertrug keine Langweile, war eine Zeit lang sehr vergesslich und machte für Arbeitskollegen auch den Anschein von Verwirrtheit. Welche alternativen Hilfsmittel werden empfohlen ausser Mediakemente?
Daniela Gessler: Oft kann es schon eine erste Erleichterung geben, für sich die Frage beantworten zu können, ob man eine ADHS Symptomatik aufweist oder nicht. Vieles im Lebenslauf lässt sich dann einordnen und wirkt daher bereits entlastend. Neben Medikation können auch Selbsthilfegruppen helfen: http://www.selbsthilfezentrum-ag.ch/selbsthilfegruppen/ , geleitete gruppentherapeutische Angebote mit anderen ADHs Betroffenen zum Erlernen von neuen Alltagsbewältigungsstrategien sowie für einen Austausch mit anderen Betroffenen (Ambulatorium Aarau). Zudem gibt es auch neuropsychologische Methoden wie Neurofeedback, die gute Erfolge bei der Behandlung der ADHS Symptomatik verzeichnen: www.schoresch.ch .
Sehr geehrte Damen und Herren Mein ADHS wurde vor 5 Jahren von Pr Kasper in Luzern festgestellt, ich war erleichtert, weil mir vieles wie Schuppen von den Augen viel. Ich wehrte mich gegen Medikamente, weil ich dachte das ich es auch so schaffen könnte. Mittlerweile drehe ich manchmal fast durch, bin extrem Lärmempfindlich, denke darüber nach ein Medikament zu nehme, was raten Sie mir.
Andreas Müller: zuerst einmal sind sie bei Dr. Kasper in Luzern sehr gut betreut. Er gilt als einer der Experten und hat auch in der CH-ADHS Studie mitgemacht. Das Gute bei den typischen ADHS Medikamenten ist sicher, dass man das Medikament probieren kann und man weiss relativ schnell ob es wirkt (nach einigen Tagen kann man die Wirkung schon gut abschätzen). Dann können sie gut entscheiden, was Ihnen besser hilft. Ich sage jeweils, man kann 2 Fehler machen: Den Einen, dass man ein Medikament nimmt, den anderen, dass man ein Medikament nicht nimmt. Beides kann falsch oder richtig sein. Man muss es einfach probieren.
Mein Sohn 12Jahre leidet unter ADHS und bekam Concerta 45mg, da wurde es massiv besser in der Schule und konnte sich super konzentrieren und schrieb bessere Noten. Leider bekam er sehr starke Nebenwirkungen wie Appetitmangel und Schlaflosigkeit. Auch litt er unter einer Angststörung. Nun nimmt er Elvanse, aber nur 20mg. Das nützt leider in der Schule viel zu wenig. Kaum erhöhen wir die Dosis isst er wieder nichts und kann nicht schlafen. Was gäbe es noch für eine Möglichkeit?
Ursula Davatz: 1. Mit dem/der LehrerIn reden und die typischen Eigenschaften eines ADHS Kindes erklären. 2. Sitzordnung im Schulzimmer beachten allenfalls ihn nach vorne setzen, damit er direkten Kontakt mit der Lehrperson hat. 3. Ruhige Kinder neben ihn setzen oder allenfalls einen Platz auslassen, damit er nicht gestört wird. 4. Bei Unruhe eine motorische Aktivität vom Lehrer vorschreiben, wie z.B. drei Mal um das Schulhaus rennen, Liegenstützen machen, Seilspringen. Es ist bekannt, dass Kinder mit ADHS nach einer körperlichen Tätigkeit sich wieder besser konzentrieren können. Sie können auch auch HOTA organisieren. Die machen einen Hausbesuch und beraten Sie persönlich im familiären Rahmen. https://www.hota.ch/hometreatment
Ich habe ADHS und das Problem, dass ich eine extreme Nachteule bin und deshalb meistens viel zu spät schlafen gehe. Was kann speziell bei ADHS helfen, um wieder einen normalen Tages-/Nachtrhythmus zu bekommen?
Daniela Gessler: Oft haben Personen mit ADHS einen verschobenen Tag-/Nacht-Rhythmus. Hier können einfache Schlafhygiene Tipps helfen (zur gleichen Zeit zu Bett gehen, Hör-CD hören vor dem Einschlafen, Sport vor dem zu Bett gehen etc), um den eigenen Biorhythmus zu beeinflussen. Weiter kann z.B. mit Hilfe von Lichttherapie der Melatoninhaushalt insofern beeinflusst werden, dass man abends früher müde wird. Am Ambulatorium Aarau bieten wir hierfür eine Spezialsprechstunde an, bei welcher man eine Lichttherapie Lampe ausleihen und die Wirkung auf sich testen kann.
Was einfach nicht so gut ist, dass bei mir(Erwachsnige) das Ritalin nicht bezahlt wird. Könnte ich noch iv anmelden? Und wo kann man so eine Hirnfunktionsmessung machen?
Andreas Müller: Ja, das ist so, Ritalin wird bei Ihnen nicht bezahlt, weil es nicht für Erwachsene zugelassen ist. Zugelassene Medikamente für die Erwachsenen sind Focalin und Concerta. Beide Medikamente sind leicht verschieden von Ritalin. Eine IV Anmeldung kommt sicher nicht infrage aufgrund von ADHS. Allerdings kann eine IV Anmeldung gemacht werden aufgrund von beruflichen Fragen, da spielt dann manchmal eine Aufmerksamkeitsstörung eine gewisse Rolle. Aber eine IV Anmeldung zu machen aufgrund von ADHS ist sinnlos. Hirnfunktionsmessungen: Gehen sie auf die Webseite der Gehirn und Trauma Stiftung Graubünden (GTSG.ch). übrigens wird nächsten sein paper publiziert zum Thema.
Bei mir wurde als Kind immer eine AAngststörung vermutet. Ich war immer sehr kreativ, sprunghaft, unkonzentriert und ein Träumer. Vor allem in Mathe hatte ich grosse Mühe. Ich hatte mein ganzes Leben lang Probleme in der Schule und hatte Depressionen. Mit 30 hatte ich ein Burnout. Ein neuer Psychiater hat auf ADHS getestet und verschrieb mir Methyphenidat. Damit geht es mir viel besser. Der andere Psychiater meint aber es sei Bipolare St. und Methylph. sei gefährlich. Was würden Sie nun tun?
Andreas Müller: nun, da die Diagnostik in der Psychiatrie aufgrund der Subjektivität sehr fehleranfällig ist, haftet jeder Diagnose immer ein Fehler von mindestens 40% an. Ich führte deshalb nicht zu sehr auf die Diagnosen abstellen. Viel besser ist es, wenn sie genau darauf Acht geben, wie das Medikament bei Ihnen wirkt. Wenn sie positiv Erfahrungen haben in dem Sinne, dass sie innerlich ruhiger werden, scheint das Medikament durchaus eine gute Funktion bei Ihnen zu haben. Was sie auch tun können, Sie können das Medikament jederzeit weglassen oder nur punktuell nehmen, also dann wenn sie es brauchen. Eine direkte Gefahr sehe ich wirklich nicht, wenn es sich um eine vernünftige Dosierung handelt. Falls sie durch das Medikament sich eingeengt fühlen, oder sich zusätzlich ängste entwickeln, sollten sie dies mit ihrem Arzt besprechen. Durch die Messung von Hirnfunktionen lässt sich übrigens gut ein Effekt voraussagen.
Ich leide seit Jahren unter Müdigkeit, lernen ist für mich ein Horror. Keine Geduld, wenn ich etwas neues machen muss oder will. Auch Zukunftsangst ist ein grosses Thema. Meine Gedanken sind Tag und Nacht immer am "arbeiten". Kann das auch ADHS sein oder was? Ich danke Ihnen für die Rückmeldung.
Daniela Gessler: ADHS Betroffene berichten als eines der häufigsten Symptome, schlecht abschalten zu können. Das Gehirn arbeitet dauernd auf Hochtouren. Da bei einem ADHS Konzentration viel Energie erfordert, ist es nachvollziehbar, dass viele ADHS Betroffene oft starke Müdigkeit verzeichnen, bis hin zu Erschöpfungssymptomen wie Burnout. Da das Erlernen von Neuem zusätzlich viel Konzentration erfordert, da man hochkonzentriert bei der Sache sein sollte, um Fehler zu vermeiden, kann sich dies in einer Aversion gegenüber Neuem bzw. Angstsymptomatik niederschlagen. Falls Sie daran interessiert sind, sich genauer mit dieser Frage auseinanderzusetzen, empfehle ich Ihnen, dies mit Ihrem Hausarzt zu besprechen und eine allfällige Überweisung an eine Spezialstelle zur Abklärung auf ADHS vorzunehmen.
Guten Abend, bei meinem Sohn wurde ADHS im Alter von 9. Jahren diagnostiziert. Sollte man ihn schon jetzt genau aufklären, kann das Folgen haben- einfach anderst zu sein, auch in der Schule. Wie kann man das am besten erkären, was empfehlen sie?
Ursula Davatz: Er darf anders sein, das ist ganz wichtig. Das ist seine Persönlichkeit. Ich betrachte ADHS nicht als Krankheit sondern als speziellen Persönlichkeitstyp. Deshalb muss man ihn nicht über eine Krankheit aufklären, sondern mit seinen speziellen Eigenschaften lernen umzugehen. Falls er Schwierigkeiten im sozialen Umfeld hat (Schule, Freunde), nicht sofort zur Anpassung erziehen, sondern zuerst herausfinden, was ihn verletzt hat (was zu seiner aggressiven Handlung oder zu seinem Rückzug geführt hat). Sich fragen in wie weit er gestört wurde in seiner Handlung/Denken. Ich würde mir zudem eine unterstützende Begleitung von einer Fachperson, die sich mit ADHS auskennt, organisieren. https://www.hota.ch/hometreatment
Guten Abend. Bei mir wurde vor 10 Jahren ADHS diagnostiziert. Seither werde ich von meinem Hausarzt betreit, bei welchem ich auch Ritalin beziehen kann. Es geht mir zwar viel besser als früher, trotzdem komme ich nie zur Ruh und habe das Gefühl, dass ich niemandem Gerecht werde (Ehemann, Kinder, Job...). Auch bin ich oft nervös, gereizt usw. Mit Ritalin komme ich nicht zurecht, da es nicht lange wirkt und nicht regelmässig nehme. Gibt es ein Medikament das länger anhält bze. dauerwirkt? Danke!
Daniela Gessler: Ritalin wird insbesondere bei Kindern eingesetzt, wird von vielen Krankenkassen im Erwachsenenalter nicht mehr übernommen. Es gibt eine langwirkende Form von Ritalin, welche sich Ritalin LA nennt. Focalin oder z.B. Concerta sind für einen Arbeitsalltag angelegt, wirken 5-7 Stunden und werden bei Erwachsenen eingesetzt. Da Sie von unterschiedlichen Belastungsfaktoren berichten, könnte es auch helfen, sich in einer Selbsthilfegruppe für ADHS Betroffene auszutauschen oder psychotherapeutische (Coaching-)Gespräche in Anspruch zu nehmen, um konkrete alltagspraktische Strategien für sich zu erlernen, um im Alltag besser entlastet zu werden.
Gilt ADS heute offiziell als Krankheit? Wie motiviert man zu einer Therapie? Ist ADS unter Alkoholeinfluss extremer?
Andreas Müller: bzgl. der Frage, ob ADS heute offiziell eine Krankheit ist gibt es verschiedene Ansichten. Aufgrund der Tatsache, dass es ein Leiden mit Krankheitswert ist und von der Krankenkasse bezahlt wird, kann ADHS als Krankheit betrachtet werden. übrigens ist es so, dass mittels Hirnfunktionen die Patienten mit ADHS von gesunden Kontrollen zu 80-90% voneinander getrennt werden können. Leute, die das Gegenteil behaupten, kennen die Literatur nicht.die Motivation zu einer Therapie: Letztlich muss jedoch selber entscheiden, ob er denkt, eine Therapie könnte ihm etwas bringen. Es ist auch häufig so, dass Gesprächstherapien bei ADHS sehr wenig bringen. Viel bessere Erfahrungen wurden gemacht mittels einem Coaching Ansatz, mittels welchem jemand lernt, seine exekutiven Funktionen (steuern, planen, kontrollieren), seine Sensitivität und andere Funktionen durch geeignete Strategien zu verändern. Hilfreich sind Aktivierungs- und Deaktivierungsechniken (Sport und Entspannung), Strukturierung des Tagesablaufes, gute Planung und vor allem eine gute Motivation über längere Zeit entwickeln. ADHS unter Alkoholeinfluss? Dies hängt im Wesentlichen davon ab, wie genau das ADHS zustande kommt. Wir sehen häufig durch Hirnfunktionsmessung einen Subtyp, der durch einen erhöhten Arousal mitbestimmt ist. Alkohol und erhöhter Arousal gehen ebenfalls häufig zusammen. Arousal: Innere Erregung. Wenn nun jemand versucht mittels Alkohol die erhöhte innere Erregung zu dämpfen und aber gleichzeitig Medikamente dafür nimmt, geht es häufig schlecht aus. Deshalb sollte der Alkoholkonsum bei der Einnahme von Medikamenten drastisch gekürzt werden. ADHS und erhöhter Arousal gehen häufig auch noch einher mit depressiver Stimmungsmodulation.
Guten Abend, Bei meinem Mann wurde im Kindesalter Adhs diagnostiziert. Im Jugendalter wurde ihm gesagt das adhs sei ausgewachsen, jedoch zeigen sich im Alltag immer wieder "typische Symptome", die ihm den Alltag stark erschweren. In Behandlung ist er schon lange nicht mehr und auf Medikamente will er nur ungern zurückgreifen. Gibt es für betroffene eine Anlaufstelle, um die optimale Behandlung/ Unterstützung für ihn zu finden?
Daniela Gessler: Neben Medikamenten gibt es weitere Angebote, die Ihren Mann unterstützen könnten: 1) ADHS-Coaching, um gezielt und alltagspraktisch gewisse Problembereiche angehen zu können 2) Selbsthilfegruppe von ADHS Betroffenen: http://www.selbsthilfezentrum-ag.ch/selbsthilfegruppen/ 3) Gruppentherapeutische Angebote wie z.B. "Stressbewältigungstraining bei Erwachsenen mit ADHS". Ich empfehle Ihnen und Ihrem Mann, sich bei Ihrem Hausarzt zu melden und eine Überweisung z.B. ans Ambulatorium Aarau in die Spezialsprechstunde für ADHS vorzunehmen für einen unverbindlichen Ersttermin.
Bei unserem Sohn wurde vor einem halben Jahr eine schwere Depression diagnostiziert, die möglicherweise durch ADS (das H hat er nicht) ausgelöst wurde. Er ist immer noch nicht richtig eingestellt und das Problem mit ADS könne man erst angehen, wenn man die Depression im Griff hat. Ich frage mich aber, ob man das nicht jetzt angehen sollte, wenn das eventuell der Auslöser war, und viele seiner früheren Verhaltensweisen sprechen dafür, die er aber mit seiner hohen Intelligenz überspielen konnte.
Ursula Davatz: Eine sogenannte Depression im Kindesalter zeigt auf, dass der Junge unglücklich ist. Das etwas in seinem Leben nicht gut läuft. Sie haben Recht, das könnte im Zusammenhang mit seinem ADS stehen. Solche Kinder haben die Tendenz sich schnell in ihre Gedanken zurückzuziehen und man erreicht sie dann nicht mehr. Deshalb muss man genauer beobachten, was sie verletzt, was sie unter Druck setzt, was sie kränkt und in welchen Situationen sie von ihre Kollegen ausgeschlossen werden. Sie haben ja schon seine früheren speziellen Verhaltensweisen beobachte, was sehr hilfreich ist. Ja, mit der Intelligenz kann man viel überspielen, aber die emotionale Reifung bleibt dann auf der Strecke liegen. Gehen Sie also Sorgfältig mit seiner Emotionalität um. Beobachten Sie mehr, Fragen Sie weniger und reden Sie ihm nicht drein. Lassen Sie sich Zeit ihm zuzuhören. Sie können auch mit der HOTA einen Hausbesuch vereinbaren. https://www.hota.ch/hometreatment
Bei mir wurde ADHS schon früh in der Kindheit diagnostiziert. Bei mir zeigen sich zu den üblichen Symptomen auch ganz spezifische Geräuschintoleranzen. Bspw. habe ich Probleme mit Kaugeräuschen meiner Mutter oder meiner Frau. Ich bin mir jedoch nicht sicher ob dieses Problem auch auf ADHS zurückzuführen ist? Ich leide sehr stark unter diesem Problem, da ich seit kurzer Zeit auch Probleme mit Atemgeräuschen habe. Ich habe während ich mich unter Druck setzte einen Kollegen regelmässig atmen gehört.
Andreas Müller: was sie hier beschreiben ist eine übermässige Fokussierung auf bestimmte Symptome aufgrund von übermässiger Sensitivität. Dies ist bei Menschen mit ADHS häufig der Fall. Viele Menschen beginnen dann bestimmte Sachen genau zu fokussieren und komme nicht mehr davon weg. Es gibt eine Untersuchung, welche zeigen konnte das bei übermässiger Fokussierung auf grund von übermässiger Sensitivität auf bestimmte Töne oder visuelle Stimuli es gut ist, wenn man den Aufmerksamkeits Fokus verschiebt, indem man zum Beispiel Sudoku macht. Dann sind sie abgelenkt von dem was um sie herum passiert. Nur sie selber sind in der Lage, diesen Aufmerksamkeits Shift zu vollziehen. Sie können niemandem befehlen nicht zu atmen weil es sich stört.
Unser Sohn A. hat 2004 in Zürich den Dr. der Soziologie erhalten und arbeitet seit Herbst 2004 als Austausch-Wissenschaftler in NY. Im Mai 2017 hat ein NY-Arzt bei ihm ADHS festgestellt, worauf er seinen Job verlor! Er konnte mit Hilfs-Jobs und dank unserer finanz. Zuschüsse überleben! Können wir unsere Auslagen in der Schweiz einfordern und ist sein Arztzeugnis auch in der Schweiz gültig? Laut Arzt ist ADHS vor ca. 25 J. "aufgetaucht". Herzlichen Dank
Ursula Davatz: Das ist eine juristische Frage. Steigern Sie sich nicht zu sehr in einen Machtkampf hinein, sondern helfen sie ihm sich neu zu orientieren. ADHS ist ein Persönlichkeitstyp und keine Krankheit und soll deshalb niemals ein Ausschlusskriterium für einen Job sein. Er soll sich einen Job bei einer Firma suchen, die gegenüber ADHS positiv eingestellt ist, denn Menschen mit ADHS sind in der Regel kreativ, eine Eigenschaft, die man heute gut gebrauchen kann. Softwareunternehmen wie Google, Microsoft, Apple, Amazon brauchen kreative Soziologen!
Bei unserem Sohn (7 J.) steht für uns die Frage, ob er ADHS hat, im Raum. Er ist ein nervöser Typ, kann aber auch ruhig etwas nachgehen, wenn es ihn interessiert. Er stellt hohe Ansprüche an sich selbst, die er häufig nicht erfüllen kann. Sozial und in der Schule (1. Kl.) hat er keine Probleme. Bei einer Routineuntersuchung meinte die Kinderärztin wir sollten ihn abklären lassen. Vor Kurzem meinte er, er würde besser sterben, da er eh immer alles falsch mache. Ist es an der Zeit ihn abzuklären?
Andreas Müller: wir schauen das jeweils mit einer Messung der Hirnfunktionen an. Dann weiss man relativ schnell, ob es in diese Richtung geht. Alle anderen Zugänge sind letztlich subjektiv vermögen Ihnen keine klare Antwort auf die Frage zu geben, ob es sich bei ihrem Kind um eine ernsthafte Aufmerksamkeitsstörung handelt. Es gibt leider immer noch viele sogenannten Experten, die die Hirnfunktionsmessung in Frage stellen. Dazu ist zu sagen, dass diese die Literatur nicht kennen: Es gibt sehr viele wissenschaftliche Untersuchungen, welche belegen das mittels Hirnfunktionsmessungen eine objektivierbare Trennung zwischen ADHS und nicht ADHS möglich ist.
Meinem Sohn wurde nach einer ärztlichen Abklärung im ersten Schuljahr (1981) die Diagnose "POS - Psychoorganisches Syndrom" gestellt. Handelt es sich um die frühere Bezeichnung von ADHS oder ist das etwas anderes? Der Arzt sagte mir damals, es handle sich um eine andere Form von POS. Mein Sohn war und ist eher ruhig, konnte sich jedoch nur schwer konzentrieren und sich auf Neues einstellen, bis heute. Er wurde nicht therapiert und musste keine Medikamente nehmen.
Daniela Gessler: ADHS war früher unter dem Namen POS - Psychoorganisches Syndrom bekannt. Die Bezeichnung ADHS wurde eingeführt, da es sich nicht um eine organische Erkrankung handelt. Die Abkürzung steht für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom. Bis anhin wurde zwischen ADHS ("Zappelphilipp") und ADS ("Träumer") unterschieden. Neuere Klassifizierungssysteme machen diesbzgl. keinen Unterschied mehr, sondern unterscheiden nach Intensität der einzelnen Symtpome. Bei Ihrem Sohn scheint die Hyperaktivitäts-Kompenente kaum vorhanden gewesen zu sein, man hätte daher bis anhin von einem ADS gesprochen.
Guten Abend. Ich bin 62 Jahre alt und weiss seit ca. 5 Jahren definitiv, dass ich ADHS habe - geahnt habe ich es schon viel länger, da ich mich meist "anders" gefühlt habe. Ich habe nur ein einziges Mal eine halbe Tablette Ritalin eingenommen, wovon es mir fast 2 Stunden extrem schwindlig war, dass ich kaum stehen konnte. Deahalb verzichte ich auf "chemische" Medikamente. Gibt es in der Komplementärmedizin Erfahrungen bei ADHS mit natürlichen Stoffen, Homöopathie oder anderem? Danke!
Andreas Müller: es gibt verschiedene Möglichkeiten, um die Symptome zu beeinflussen. Am besten ist viel Bewegung und Entspannung (Wandern, Velofahren, Schwimmen). Dies hilft, weil ADHS eine Dysfunktionen der inneren Erregung ist. Bei einigen Patienten ist die Erregung zu hoch, bei anderen ist die Erregung zu tief. Falls eine zu hohe Erregung eintritt im Zusammenhang mit Medikation und wahrscheinlich wie bei Ihnen mit erhöhter Sensitivität kann ein Versuch mittels GINKO BILOBA gemacht werden. auch haben einige Patienten schon positive Effekte berichten von Briophyllum Pinatum (Weleda). Andere schwören auf andere Substanzen. Ich würde Ihnen raten, wenn sie jetzt doch schon sehr lange ohne Medikamente ausgekommen sind, dies weiterhin zu tun. Viel Bewegung und anschliessende Entspannung hilft Ihnen letztlich weiter.
Sehr geehrte Damen und Herren, welche Möglichkeiten / Angebote gibt es aus dem Bereich der AD(H)S-Hilfe um schwerwiegende Probleme, welche unter den Begriffen "Aufschieberitis", "Prokrastination" und "Erlediungsblockaden" zusammengefasst werden, kostengünstig, effizient anzugehen und zu lösen? Herzlichen Dank für Ihre informative Antwort im Voraus.
Daniela Gessler: Ich empfehle Ihnen die Inanspruchnahme eines ADHS Coachings, bei welchem Sie in wenigen, vereinzelten Terminen festlegen können, an welchen spezifischen Themenbereichen Sie arbeiten möchten (z.B. Prokrastination). Es wird lösungsorientiert und alltagspragmatisch vorgegangen und nach kreativen Lösungen gesucht, wie Sie die Problemfelder angehen und Entlastung diesbezüglich erfahren können. Ihr Hausarzt kann eine entsprechende Überweisung z.B. ans Ambulatorium Aarau machen, wo ADHS Coachings angeboten werden.
Guten Abend liebes Berater-Team, mein Freund ist 38-jährig und wir sind seit 5 Jahren ein Paar. Leider haben wir schon seit einiger Zeit grosse Beziehungsprobleme, und wir wissen nicht, wie es weitergehen soll. Klar braucht es immer zwei dazu. Schon öfters kam mir der Gedanke, dass mein Freund aufgrund seines Verhaltens vielleicht ADHS haben könnte. Wo kann ich mir als Partnerin am besten Informationen holen und Abklärungen machen? Ich möchte meinen Freund trotzallem nicht «schubladisieren».
Ursula Davatz: Eine ADHS Persönlichkeit passt in keine Schublade! Eine ADHS Persönlichkeit sprengt jede Schublade. Man sollte sie deshalb auch nicht schubladisieren. Menschen mit ADHS haben gewissen Eigenheiten, mit denen Sie als Partnerin lernen müssen umzugehen. Ihn ja nicht Umerziehen wollen, sondern eine sorgfältige, verlangsamte Auseinandersetzung suchen, in der auch Sie ihre eigene klare Position beziehen. Nicht zu schnell auf Lösungen zusteuern, sondern sich Zeit lassen, dass sich Lösungen aus der Auseinandersetzung ergeben. Niemals gleichzeitig die eigene Notsituation darstellen, sondern nacheinander. Der eine stellt dar, der andere hört zu. Eine Paartherapie könnte allenfalls dabei helfen, falls beide damit einverstanden sind. Die Therapieperson sollte sich aber mit ADHS/ADS auskennen.
Ich belege derzeit ein Studium und vor den Prüfungen sieht bis Weihnachten immer alles Wunderbar aus, doch in den Ferien kann ich keine Stunde arbeiten ohne mich mit etwas Anderem von der Prüfung ablenken zu müssen. Das Resultat an der Prüfung ist folgedessen ein Desaster. Ich hatte wieder grosse Hoffnung und Ziele in diese Prüfung gesteckt, aber wenn es darum geht, den Sack zu zu machen resigniere ich völlig und muss mich quasi Zwanghaft ablenken. Steht dies womöglich mit ADHS in Verbindung?
Andreas Müller: was sie beschreiben, ist häufig bei Studenten mit ADHS anzutreffen. Diese Studenten leiden häufig an einer schwachen inneren Erregung (tiefere Arousal). In diesem Zustand ist es enorm wichtig, dass man einen Plan macht, in welchem die Aktivierung bedeutsam ist. Der Tag muss deshalb mit einer Aktivierungsübung beginnen, dann wird aufgrund des Planes gelernt. Weitere übungen zur Aktivierung im Sinne von Sport müssen im Tag eingebaut werden. Bei einem verminderten Arousal helfen Medikamente recht gut zur Fokussierung vor allem während Prüfung sauf Gaben. Ich würde Ihnen raten, sich bzgl. ADHS untersuchen zu lassen mittels Hirnfunktionsmessungen, dann wissen sie schnell was zu tun ist. Das Desaster muss nicht sein!
Guten Abend, gerne möche ich mich erkundigen wo ich im Kanton Luzern eine gute Beratungsstelle finde. Mit 8 Jahren wurde meine Toschter auf ADHS abgeklärt und wir haben eine IV Anerkennung. Seit 2 Jahren nimmt sie jetzt Ritalin La 20. Jedoch finde ich keine Gesprächspartner die mich beraten ob wir am Wochenende oder in den Ferien die Medikamente absetzen können. Alle sagen nur, das es Personenabhängig ist. Auch im Interne findet man keine aktuellen Untersuchungen oder Studien dazu. MFG
Andreas Müller: zuerst einmal würde ich Ihnen dringend raten, sich an die Weisungen des Kinderarztes zu halten, der bei ihrem Kind die Diagnose gestellt hat und offenbar auch die Behandlung begonnen hat. Grundsätzlich lässt sich das Medikament absetzen über das Wochenende oder auch während den Ferien, doch bedarf es der Absprache mit dem zuständigen Arzt. Ein Absetzen der Medikation führt nicht zu einem Nachteil. Manchmal ist es schwierig für ein Kind wieder reinzukommen, wenn eine längere Pause gemacht wurde. Wie gesagt: Besprechen sie es mit ihrem Arzt, das finde ich am sinnvollsten. Wenn er es ihnen überlässt, können sie einmal übers Wochenende einen Versuch mit Absetzen machen und schauen wie es in der nächsten Woche geht.
Guten Tag meine Kinder haben beide ADHS. Die grosse sehr ausgeprägt, der kleine eher schwach ausgeprägt. Beide nehmen Medis. Ich vermute bei mir auch ADHS. War als Kind mal beim Psychiater. Aber bekam wohl nie eine Diagnose, so meine Eltern. Ist es sinnvol jetzt als Erwachsene noch abzuklären? Wir die Abklärung von der Krankenkasse bezahlt? Wo wird abgeklärt?
Daniela Gessler: ADHS hat eine vererbbare Komponente, weshalb es durchaus sein kann, dass auch bei Ihnen als Mutter ein ADHS vorliegt. Es ist sinnvoll, ein ADHS im Erwachsenenalter abzuklären, sofern sie in Ihrem Alltag mit ADHS spezifischen Schwierigkeiten konfrontiert sind (Schwierigkeiten, sich zu organisieren, Konzentrationsprobleme, Stressintoleranz, Stimmungsschwankungen, Impulsivität/Wutausbrüche, innere Unruhe etc.). Da ADHS Begleiterkrankungen (u.a. Depressionen, Suchterkrankungen etc.) nach sich ziehen kann, ist es sinnvoll, über eine Diagnose Bescheid zu wissen, um diesbzgl. vorbeugen zu können. Oft hilft es Betroffenen, Symptome besser einordnen zu können und dadurch mehr Klarheit über sich zu gewinnen. Eine Abklärung im Erwachsenenalter wird von der Krankenkasse übernommen. Abklären lassen, kann man sich unter anderem am Ambulatorium Aarau in der Spezialsprechstunde für ADHS. Lassen Sie sich bei Bedarf von Ihrem Hausarzt beraten und an eine entsprechende Stelle überweisen.
kann ADHS auch mit depression begleitet werden? Ein Kolleg - 23 J hat gerade probiert ein selbst-mord versuch - er ist im abschluss stress: Lehrabschluss im Juni -
Ursula Davatz: Die Depression kann eine Folge von ADHS sein. Menschen mit ADHS sind anders und empfinden Emotionen stärker, stossen im sozialen Umfeld häufig an, es passieren ihnen Fehler, sodass sie sich dann als Verlierer vorkommen. Falls sie ihr Tief mit Cannabis zu überdecken versuchen, ist das eine schlechte Problemlösungsstrategie, denn sie führt zu weiterer Demotivation. Führen Sie mit ihm persönliche Gespräche und suchen Sie nach Belastungsfaktoren im Umfeld (Freunde, Familie, Schule). Auch hier kann professionelle Hilfe Klarheit und Unterstützung geben. Ob er die Lehre besteht oder nicht, soll nicht ausschlaggebend für seinen Erfolg im Leben. Richard Branson hat auch nie eine Prüfung bestanden, ist aus sämtlichen Schulen herausgeflogen und wurde trotzdem sehr erfolgreich im Leben.
Guten Abend, bei mir wurde vor ca. 10 Jahren ADHS Diagnostiziert. Ich hatte damals kurze Zeit Ritalin, dieses jedoch wieder abgesetzt. Nun bin ich gerade an einer Weiterbildung und all die ADHS Eigenschaften wie Ablenkbarkeit, Unstrukturiertheit, Vergesslichkeit, mühevolles Perfektionistisch sein, etc. kommt wieder zum Vorschein. Würden Sie mir empfehlen, die Medikation wieder zu starten?
Daniela Gessler: Nicht selten zeigen Erwachsene im beruflichen Alltag kaum Einbussen bzgl. ADHS Symptomatik, da sie im Laufe ihres Lebens gute, adaptive Strategien erworben haben, um diesen entgegen zu wirken. Findet man sich jedoch in einem "Schulalltag" wieder, kehren die Symtome oft zurück, was den Abschluss einer Weiterbildung erschweren kann. Ich empfehle Ihnen, sich mit einem Psychiater diesbezüglich auszutauschen und gegebenenfalls eine Medikation gezielt für die einzelnen Weiterbildungstage, anstehende Prüfungen sowie Abschlussarbeiten etc. zu erwägen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin jetzt 62 Jahre alt, Mutter von fünf mehr oder weniger stark betroffenen ADHS Kindern und mittlerweile auch Grossmutter vierer Enkel. Sehr gross ist mein Leidensdruck da ich sehr grosse Mühe habe mich zu organisieren und meinen Alltag strukturiert zu bewältigen. Vieles kommt noch dazu. Kann mir noch geholfen werden
Andreas Müller: Sie haben jetzt weiss Gott viel erreicht, wenn sie 5 Kinder grossgezogen haben und sicher auch bei der Erziehung und Betreuung in Ihre 4 Enkel aktiv sind. Ihre Anfrage tönt sehr negativ, weshalb ich diesen ersten Satz los werden musste. Nun wenn sie sagen, sie suchen Selbsthilfe, um sich besser organisieren zu können und ihren Alltag besser zu strukturieren, wissen sie eigentlich schon worum es geht. Oft ist es nicht möglich, weil einem zu viel im Kopf herum schwirrt und man nicht in der Lage ist klar zu denken. Ich sage immer, es gibt 3 Ebenen, auf denen man etwas tun kann: Im Alltag kann man versuchen sich besser zu organisieren und auch sich besser zu strukturieren. Dies bedeutet häufig, dass man weniger machen muss um mir zu erreichen. Ein allgemeines Prinzip ist auch in unserer Therapie die Aktivierung und Deaktivierung mittels Sport und Entspannung. Dadurch lassen sich bereits viele Probleme sinnvoll lösen. Dann gibt es Medikamente, die zu einer besseren inneren Ruhe beitragen. Dies müssen sie jedoch mit ihrem Arzt besprechen. Psychotherapeutisch gilt es allenfalls zu klären, weshalb sie mit sich und der Welt noch nicht ganz zufrieden sind. Ich finde Sie haben einen hervorragenden Job gemacht.
Guten Abend, gerne möchte ich mich erkundigen, weshalb viele Informationen im Netz so veraltet sind. Leider findet man auch im Internet nur ganz wenige aktuelle Informationen zu Ritalin und zur Handhabung im Alltag. Studien oder Langzeitauswertungen von Patienen konnte ich bis heute nicht finden.
Ursula Davatz: Ritalin ist ohnehin nicht die einzige Lösung für Menschen mit ADHS. Ich vertrete den Ansatz der therapeutischen Unterstützung des Umfeldes. Informationen über Psychopharmaka finden Sie in der Arzneimittel-Fachinformation. https://amiko.oddb.org/de/fi?gtin=7680559310138&type=title&key=ritalin Man erwartet viel zu viel Hilfe von der Psychopharmaka-Therapie beim ADHS. Das Gewicht sollte weit mehr auf die Interaktion mit dem Umfeld gelegt werden. Lesen Sie mein Buch: http://www.somedia-buchverlag.ch/gesamtverzeichnis/adhs-und-schizophrenie/
Bei meinem Sohn (10) wurde vor einem Monat ADS mit Dyslexie als Begleiterscheinungen diagnostiziert. Als ich den Beitrag gesehen habe kam ich ins Grübeln, da ich sehr viele Parallelen zu mit gesehen habe. Ich bin ebenfalls eher chaotisch im Haushalt, schnell ablenkbar, häufig müde und erschöpft, schnell genervt von Lärm oder Streit,bin sehr gerne kreativ und ich brauche immer Ruhe wenn ich mich fokussieren muss. Sollte ich mich abklären lassen?
Daniela Gessler: Ca ein Viertel der Bevölkerung zeigt ADHS Symptome, jedoch nur ca 5% davon kommen in eine Abklärung aufgrund eines persönlichen Leidensdruckes. Da ADHS / ADS eine vererbbare Komponente aufweist, ist es möglich, dass Sie als Mutter ebenfalls betroffen sind. ADHS bzw. ADS bringt jedoch auch viele Stärken mit sich. Wenn man diese gezielt im Alltag für sich einsetzen kann, kann mit ADHS / ADS ein erfolgreiches Leben geführt werden ohne jegliche zusätzlichen Massnahmen, die nötig wären (viele Leistungssportler, Schauspieler und Künstler haben z.B. ADHS). Falls Sie an einer Abklärung interessiert sind, empfehle ich Ihnen, sich mit Ihrem Hausarzt in Verbindung zu setzen und eine allfällige Überweisung an eine Spezialstelle vorzunehmen.
Folgefrage: meine Tochter hat Neurofeedback (hier meinte man, es sei doch ADS), Hypnosetherapie, Autog. Training versucht, ist seit 6 Mt. bei einer Psychologin, was bisher nichts brachte. Sie versucht alles, um sich abzulenken vom unglücklich sein (Sport, Tanzen, Lesen, Reisen), aber nichts nützt wirklich, es ist eine Flucht. Wo würde sie z.B. in Zürich Hilfe finden? Sollen wir doch noch eine ADS Abklärung machen? Leider hat sie genug von Abklärungen und Versuchen und wenig Lebensfreude.
Andreas Müller: ich kann das gut verstehen, wenn ihre Tochter genug von all den Abklärungen hat, welche letzten Endes nichts bringen.vielleicht braucht sie jetzt eine Pause. Wir gehen das holistischer an, indem wir nebst den üblichen Abklärung Methoden zusätzlich die Hirnfunktionsmessung einsetzen. Dies bringt dann ein realistisches Bild, welches Biologie, Verhalten, Emotionen und Kognitionen zueinander in Verbindung setzen. Die Befundung ist dann relativ gut möglich und ihre Tochter weiss dann, woran sie ist. Allerdings muss auch sie dann letztlich alles selber machen und niemand kann ihr irgendetwas abnehmen. Deshalb ist es jetzt wichtig, dass sie selber ihren eigenen Weg gehen kann und letztlich selber entscheidet, wo sie sich jetzt noch einlassen will.
Vor 14 Jahren wurde bei (ich bin 60+) mir ADHS diagnostiziert. Wobei ich dem ADS Typ entspreche. Ich nehme Concerta. In letzter Zeit habe ich mit der Verdauung Probleme, was sich wieder auf die Konzentration usw. auswirkt. Wo kann ich Hilfe finden? Ich wäre froh, wenn ich nicht eine extreme Diät machen müsste, wie dies bei Autismus empfohlen wird. Bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten kann man sozial ins Abseits geraten, was eh immer eine Gratwanderung ist für ADS, weil ich nicht gerne auffalle.
Ursula Davatz: Setzen Sie das Concerta ab und widmen Sie sich einem interessanten Hobby, wie z.B. Kochen, Tanzen, Joggen, Lesen, oder vertiefen Sie sich in ein Thema das sie schon lange interessiert hat und verbessern so ihre Fokussierung. Es ist bekannt, dass Menschen mit ADS sich sehr gut konzentrieren können, wenn sie sich für etwas interessieren. Albert Einstein hatte vermutlich auch ADS. Er hat bis er 5 Jahre alt war nicht geredet sondern nur beobachtet und nie Concerta genommen.
Ich bin jetzt 57 Jahre alt, im Rahmen einer Therapie wegen einer Depression kam auch das Thema Adhs zur Sprache, da ein verstorbener Bruder in der Kindheit davon betroffen war. Zu jener Zeit hat man sowas aber kaum je abgeklärt. So haben wir bei mir auch Tests durchgeführt. Das Ergebnis war eindeutig positiv. Wie zuverlässig sind die Tests in Bezug auf falsch positive Resultate? Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Adhs und dem Risiko (wiederholt) aneiner Depression zu erkranken?
Andreas Müller: es gibt eben auch eine Kombination zwischen Depression und ADHS. Diese kommt sogar ziemlich häufig vor. Ein Begleitsymptom von Depressionen sind häufig Aufmerksamkeitsstörungen. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit. Sowohl Aufmerksamkeitsstörungen als auch Depressionen sind oft Ausdruck von verminderter oder erhöhter Erregung.dem kann man gut nachgehen, indem man zusätzlich zu den neuropsychologischen Testuntersuchungen noch Hirnfunktionsmessungen macht. Damit lässt sich dann relativ gut sehen, wie das alles zusammenhängt.
Wie sieht das aus, kann es herauswachsen bei Kinder, oder wird die Intensität sich verändern können im ALter? Kann es sein, dass er als Erwachsener nicht so darunter leitet, weil er in vielen Bereichen als Kind damit gelernt hat um zu gehen?
Daniela Gessler: Bei ca einem Drittel der Kinder wächst sich die Symptomatik im Erwachsenenalter aus, bei einem weiteren Drittel im Pensionsalter, ein letztes Drittel ist schliesslich ein Leben lang von einer gewissen Symptomatik betroffen. Im Laufe des Lebens lernt man dazu, eignet sich gewisse Strategien für gewisse Problematiken an (z.B. Kopfhörer tragen, um nicht so rasch abgelenkt zu werden) und leidet dadurch weniger darunter. Gewisse Symptome verändern sich auch im Laufe der Zeit (Hyperaktivität wandelt sich oft in innere Unruhe, Schwierigkeiten, sich zu entspannen). Die Intensität der erlebten Symptome hängt zudem stark davon ab, wie man sein eigenes Umfeld gestaltet (Freizeitaktivitäten wie z.B. Sport, um überschüssige Energie loswerden zu können; Berufswahl, um seine kreative Seite ausleben zu können). Dies ist im Erwachsenenalter oft eher beeinflussbar als im Kindesalter, wo insbesondere still sitzen im Schulalltag gefordert ist.
Guten Abend, Sind Personen mit ADHS stärker gefährdet, eine sucht zu entwickeln? Habe selbst viele Erfahrungen gemacht. Bei mir war es leider so!
Ursula Davatz: Ja, die Suchtgefährdung ist bekannt. Man nennt das dann Selbstmedikation zur allgemeinen Beruhigung und emotionalen Distanzierung von einem belastenden Beziehungsumfeld. Im Buch "Driven to Distraction" wird Leuten mit ADHS möglichst viel sexuelle Aktivität empfohlen: https://www.amazon.com/Driven-Distraction-Revised-Recognizing-Attention-ebook/dp/B005GFII62
Meine Tochter (26) ist oft traurig und depressiv, ohne Freude . Reagiert oft aufbrausend, im Job schnell überfordert, kann nicht abschalten, Wichtiges und Unwichtiges nicht unterscheiden, hat Schlafschwierigkeiten, Gedankenkreisen, hohe Ansprüche an sich, wenig Erfolgserlebnisse ( Matura + 2 Ausbildungen gemacht, mit sehr viel Aufwand). 1. Test 2013: kein ADS, aber massive Wahrnehmungsstörungen od. ev. leichtes Asperger. Sie braucht dringend Hilfe, aber nichts hat bisher genützt. Was tun?
Andreas Müller: nun, ihre Tochter ist ja nicht mehr ein Kind und sollte zuerst einmal selber entscheiden, was sie zukünftig tun will. So wie sie die Symptomatik beschreiben handelt es sich um eine Störung der inneren Erregung. Wir versuchen dies durch die Messung von Arousal besser zu verstehen und den Patienten dann Hinweise zu geben, wie sie sich verhalten sollen. Empfehlungen folgen meistens auf 3 Ebenen: Alltagsstrategien, Medikation, therapeutische Empfehlungen. Die Empfehlungen sind abhängig von den Befunden, die in einer ganzheitlich orientierten Sichtweise gewonnen werden. Dabei spielen Hirnfunktionsmessungen eine wichtige Rolle.
Ich,26, habe die Diagnose ADHS Erwachsene. seit 10 Jahren habe ich immer wieder partner die es aber nie länger als 3 wochen oder 8 monate mit mir aushalten. Für mich ist es wie ein ständigesdrehen im kopf : mach ich was falsch , mag er mich noch ? warum klappt es nie? diese fragen quälen mich und machen, wenn ich offen probiere zu kommunizieren, mir meine beziehung oder meine neue bekanntschaft immer kaput.anstatt das ich mir sage es ist alles gut und das er mich gern hat. ich habe ständig angst
Ursula Davatz: Sehen Sie sich meinen Vortrag an: https://schizo.li/2018/03/01/empathie-versus-selbstfursorge/ - Menschen mit ADHS haben ein starkes emotionales Sensorium und spüren oft mehr die Anderen als sich selbst. Das Resultat davon ist, dass sie es den anderen immer Recht machen wollen. Fokussieren Sie sich mehr auf sich selbst, verlangsamen sich und nehmen ihre Herzenswünsche wahr nach dem Motto von Antoine de Saint-Exupéry im 'kleinen Prinz':"Man sieht nur mit dem Herzen gut". Die Frage stellt sich: Wie kommunizieren Sie? Liegt stehts ein Vorwurf darin oder suchen Sie ständig nach Bestätigung bei Ihrem Partner. Beides ist eine Überforderung für ihn. Leben Sie ihre Impulsivität in einer Sportart, im Tanzen oder in einer anderen Aktivität aus und nicht an Ihrem Partner. Ich wünsche Ihnen viel Spass dabei!
Grüezi, ich war wegen Schlafproblemen im Schlaflabor (Abklärung Narkolepsie). Diagnose Parasomnie, Depress, Angststörung, Insomnie. Medis, die mir geholfen haben: Lyrica, Fluct. Mir geht es wieder sehr gut. Da ich seitdem immer wieder Müdigkeitserscheinungen habe, möchte meine Psychotherapeutin mir Ritalin geben (ein Medi mit C, niedrigdosiert). Sie meint, meine Symptome hätten viele Ähnlichkeiten mit ADHS.Wie soll ich das verstehen, kann man ein ADHS-ähnlicher Mensch sein ohne ADHS zu habe?
Andreas Müller: also bei der Medikation ist es so: Sie können nur ein ADHS Medikament geben, wenn sämtliche Kriterien der Störung erfüllt sind. Also müsste bei Ihnen zuerst einmal abgeklärt werden, ob überhaupt eine Aufmerksamkeitsstörung vorliegt. Die Symptome, welche sie Anführen sind durchaus in Verbindung zu bringen mit einer Aufmerksamkeitsstörung. Die Müdigkeit, die sie beschreiben kann vielleicht auch mittels leichtem Bewegungstraining angegangen werden, was jedoch nicht unbedingt gesagt ist. Möglicherweise gibt es auch noch andere Gründe für die Müdigkeit, wobei dies immer schwierig festzustellen ist. Ich hatte letzthin eine Patientin, der die Untersuchung der Fibromyalgie etwas gebracht hat. Allerdings ist es immer auch schwierig dann geeignete Therapieansätze zu finden. Bei jener Patientin halfen übrigens hormonelle Behandlungen letztlich am besten.
Guten AbendBei mir wurde vor einem Jahr ADS diagnostiziert. Mein Hausarzt ist bei der Findung der richtigen Dosierung von Concerta nicht unbedingt eine Hilfe.. und so tappe ich aktuell im Dunkeln, ob ich mit 18mg unter- oder eher bereits überdosiert bin.. Gibt es hier Erfahrungswerte für Erwachsene?
Daniela Gessler: Die Dosierung hängt u.a. von Ihrem Körpergewicht, jedoch auch von Ihrer Metabolisierung ab (wie rasch die Medikation von Ihrem Körper aufgenommen und verarbeitet wird). Inwiefern das Medikament bei Ihnen wirkt, können nur Sie feststellen. Oft hilft es auch, Rückmeldungen aus dem sozialen Umfeld einzuholen (z.B. Chef, Arbeitskollegen, Freunde, Partner), da man teilweise Veränderungen selbst nicht feststellt, das Umfeld jedoch schon. Mit Concerta 18mg haben Sie die geringst mögliche Dosierung der Medikation erhalten, eine Überdosierung erscheint daher unwahrscheinlich. Falls Sie keinen grossen Unterschied feststellen können, empfehle ich Ihnen, eine Dosiserhöhung bzw. einen Medikationswechsel mit Ihrem Hausarzt zu besprechen.
Guten Abend, was halten Sie von der Therapie mit cbd-Öl bei einem 12 Jährigen mit ADHS? Ist es eine Alternative zu Ritalin?
Ursula Davatz: Nein, kann ich nicht empfehlen. Keine gute Lösung schon gar nicht bei einem 12-jährigen. CBD-Öl ist nach wie vor Cannabis einfach in tiefer Dosis und stört die kognitive Verarbeitung und Entwicklung des Gehirns. Lassen Sie sich fachlich beraten wie sie mit ihrem hyperaktiven Kind umgehen können. https://www.hota.ch/hometreatment
Chat-Admin: Der Experten-Chat ist beendet. Leider konnten in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht alle Fragen beantwortet werden. Mehr Infos zum Thema finden Sie aber auf: https://www.srf.ch/sendungen/puls/adhs-einzelzimmer-fuer-alle-aerzte-als-patienten