Das Private Reiseverhalten
3sat: Individuell oder Package?
Nina Mavis Brunner: Individuell
Reisekoffer oder Rucksack?
Hängt vom Ziel respektive vom Weg ab. Hauptsache wenig und leichtes Gepäck
TripAdvisor App oder Reiseführer in Buchform?
Am liebsten reise ich der Nase nach und erkundige mich spontan vor Ort. Wenn ich aber weiss wo es hingehen soll, steigere ich die Vorfreude mittels Hintergrundinfos zu Sitte, Geschichte und Politik - analog wie digital.
Welches war deine bisher eindrücklichste Reise?
Natürlich die erste grosse Tour ganz allein. Ich hatte grad die Matur bestanden und aufs Reisen gespart. Etwas mehr als einen Monat war ich im südlichen Afrika unterwegs. Mit offenem Herzen und beschränktem Budget, begleitet vom wahnsinnigen Gefühl grosser Freiheit aber auch von Momenten der Einsamkeit. Herrlich romantisch. Und wie jedes erste Mal leider nicht zu wiederholen.
Für Reisegeschichten bist du an diesen Ort zurückgekehrt. Ihr habt auf eurer Reise entlang der Gewürzroute in Südafrika Halt gemacht. Wie war das? Erfreulich und etwas traurig zugleich. Ich war inzwischen mehrmals in Südafrika, habe auch Freunde dort und verliebe mich jedes Mal aufs Neue in die Atmosphäre und atemberaubenden Landschaften. Südafrika ist die zweitgrösste Volkswirtschaft des afrikanischen Kontinents und hat sich seit dem Ende der Apartheid enorm entwickelt. Dennoch gibt es weiterhin grosse soziale Unterschiede, verbreitete Armut, eine hohe Arbeitslosigkeit und politische Spannungen. Südafrikanische Bekannte von mir denken gerade darüber nach ihre geliebte Heimat zu verlassen. Aus Angst vor Instabilität und Unruhe.
In gewissen Städten, die im ausgehenden Mittelalter Umschlagplatz der wertvollen Güter gewesen waren, haben wir vergebens nach Gewürzmärkten gesucht.
Die Gewürzroute
Die Gewürzroute beschreibt den Seeweg von Europa um Afrika herum nach Indien und schliesslich zu den sagenumwobenen Gewürzinseln. Gewürze wurden zu Zeiten der portugiesischen Entdeckungsreisen mit Gold aufgewogen – wie präsent ist der Handel mit den einst so wertvollen Gewürzen heute?
In der portugiesischen Küche wird heute eher mit Salz und Lorbeer gewürzt als mit Nelken und Zimt. Und in gewissen Städten, die im ausgehenden Mittelalter Umschlagplatz der wertvollen Güter gewesen waren, haben wir vergebens nach Gewürzmärkten gesucht. Dennoch waren Gewürze auf unserer Reise sehr präsent. Ich denke da an riesige Pfeffer- und Zimtplantagen in Indien und Sri Lanka oder an Muskatwälder auf den Banda-Inseln. Gewürze dominieren ganze Regionen oder Wirtschaftszweige wie beispielsweise «Ayurveda» in Südindien. Dennoch ist der heutige Handel mit jener Zeit, in der Europa geradezu gierig nach Gewürzen war, nicht zu vergleichen.
Mich persönlich interessiert der Ist-Zustand: Welchen Einfluss hat das globale Wirtschaftssystem auf Kultur, Alltag und Arbeit?
Die Vormachtstellung im Gewürzhandel sicherten sich damals die Portugiesen. Wie hast du den portugiesischen Einfluss in den Ländern empfunden?
Wir haben uns mehrheitlich in Küstenregionen bewegt. Es gibt Gegenden, in denen der Einfluss nach wie vor deutlich sicht- und hörbar ist: in der Sprache, der Architektur, den Kirchen und Monumenten. Andernorts haben die arabischen Kaufleute oder die Niederländer deutlichere Spuren hinterlassen. Einige der von uns besuchten Länder haben unterschiedliche Kolonialmächte und Herrscher erlebt. «Handel bringt Wandel» heisst es im Sprichwort. Mich persönlich interessiert der Ist-Zustand: Welchen Einfluss hat das globale Wirtschaftssystem auf Kultur, Alltag und Arbeit? Wo liegen die Chancen des Wachstums, wo seine Grenzen und wer bezahlt den Preis?
Unsere Grundfrage ist für jeden Menschen entscheidend: Wovon und wofür lebst du?
Bei Reisegeschichten stehen Menschen im Zentrum
Für Reisegeschichten hast du spannende Menschen getroffen. Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft. Wie bereitest du dich auf eine solche Begegnung vor?
Wir haben die Reportage als Erzählmittel gewählt, um Begegnungen quasi live zu begleiten, alles möglichst authentisch zu belassen. Die Tücke: Wir können nicht tagelang drehen und warten, bis etwas Entscheidendes passiert. Also versuche ich bei der Vorbereitung einen Mittelweg zu finden. Was muss ich über die Person wissen, die ich treffe? Was sollte ich besser wieder ausblenden, damit ein erkenntnisreiches Gespräch möglichst natürlich verläuft? Am liebsten sind mir spontane Begegnungen. Unsere Grundfrage ist für jeden Menschen entscheidend: «Wovon und wofür lebst du?» So erfährt man schnell mehr über Lebensweise und Passion eines Gegenübers.
Die meisten Länder, die ihr entlang der Gewürzroute bereist habt, sind gezeichnet von Armut, politischer Instabilität und Misswirtschaft. Wie hast du als Schweizerin diesen Kontrast erlebt?
Ich reiste vom Gefühl her weniger als «Schweizerin» denn als typischer westlicher Globetrotter. Aber ich stelle mir die Frage, welchen Anteil auch mein Land am globalen Ungleichgewicht hat. Gerade jetzt trinke ich eine Tasse Tee und denke dabei an eine über 90jährige Teepflückerin, die wir filmen durften. Wir haben einige Menschen getroffen, die sich in ihrem Arbeitsalltag regelrecht abrackern und dabei erstaunlich zuversichtlich ihre Ziele und Träume verfolgen. Menschen, die weder Arbeits-, noch Kündigungs-, Mutterschafts-, oder Rechtsschutz kennen. Menschen ohne Monatslohn, ohne Krankenversicherung, Altersvorsorge oder Bankkonto. In der Theorie ist das nichts Neues. Wenn man solche Leute aber bei ihrer Tätigkeit, in ihrem Alltag und im privaten Kreis ihrer Familie etwas kennen lernen darf – dann bekommen Instabilität und Armut Gesichter, die in Erinnerung bleiben. Hoffentlich auch unseren Zuschauern.
Gewürze sind zwar heute ganz erschwinglich, welche Schätze konntest du persönlich von der Gewürzroute mit nach Hause nehmen?
Ich habe die Gewürze in allen möglichen Gerichten vor Ort genossen. Ausführlich. Das Haupt-Souvenir war kurzfristig auf der heimischen Waage abzulesen. Dennoch: Ich habe ein paar spezielle Pfefferkörner von einem indonesischen Markt mitgenommen. Leider ist die Hälfte davon auf der Rückreise verschimmelt. Wie die alten Portugiesen – monatelang auf den Weltmeeren schippernd - das mit dem Schimmel hinbekommen haben, muss ich übrigens noch herausfinden.