Das Essen inszenieren und damit auf den sozialen Medien angeben: Was heute unter «Foodporn» läuft, war schon im Mittelalter gang und gäbe. Nicht bei den Bauern – die waren froh, wenn es überhaupt etwas zu essen gab –, dafür umso mehr bei den Herrschaften. Vor allem, wenn es galt, wichtigen Gästen zu imponieren.
Was auf die Festtafel kam, sollte nicht nur satt machen. Gekocht wurde auch für den Effekt: Die Gäste sollten staunen, sich amüsieren und manchmal auch zünftig erschrecken.
Verfremden, imitieren, amüsieren
Die spektakulärsten Schaugerichte wurden im Barock aufgetischt, aber schon im Mittelalter mangelte es den Köchen nicht an Einfallsreichtum. So wurden zum Beispiel am Ende eines langen Mahles sämtliche Speisen ein weiteres Mal aufgetragen – in Form von sorgfältig hergestellten Replikaten aus Teig oder Marzipan. In Originalgrösse!
Schaugerichte im Mittelalter
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Bild 1 von 11. Behelmte Hähne ritten auf Schweinen... Bildquelle: gemeinfrei.
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Bild 2 von 11. ...Schweineköpfe wurden mit Blattgold und Farbe in Wappenfarben gestaltet... Bildquelle: gemeinfrei.
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Bild 3 von 11. ...ebenso wie Fische, die mit diversen natürlichen – und teils unerhört teuren – Farbstoffen zum Amüsement der Gäste wurden. Bildquelle: gemeinfrei.
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Bild 4 von 11. An einer mittelalterlichen Festtafel zählte der Effekt mindestens ebenso viel wie der Geschmack der Speisen. Die Gäste wollten nicht nur verpflegt, sondern auch nachhaltig beeindruckt sein. Bildquelle: gemeinfrei.
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Bild 5 von 11. Pfauen und Schwänen wurde nach dem Kochen ihr Federkleid wieder so angeklebt, dass sie lebendig erschienen. Bildquelle: gemeinfrei.
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Bild 6 von 11. Natürlich lässt sich eine Truthahnpastete einfach so in einer Schüssel servieren. Wird sie einem aber solcherart vorgesetzt, macht das Ganze definitiv mehr Eindruck. Bildquelle: gemeinfrei.
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Bild 7 von 11. Das Ohr isst mit: Zu einem spektakulären Festmahl gehörte auch eine angemessene musikalische Umrahmung. Bildquelle: gemeinfrei.
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Bild 8 von 11. Die Ausschweifungen des Adels inspirierten den Illustrator dieses prächtigen Missals aus der Mitte des 15. Jahrhunderts zu einem tierischen Bankett mit Füchsen, Affen, Gänsen und Katzen. Bildquelle: gemeinfrei.
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Bild 9 von 11. Für die Darstellung des gotteslästerlichen Gelages von König Belsazar in der illustrierten Bibel von König Edward IV orientierte sich der Künstler an adligen Tafeln des 15. Jahrhunderts. Fleisch gab es hier zur Genüge. Bildquelle: gemeinfrei.
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Bild 10 von 11. Karl der Kühne liess sich im Rahmen der biblischen Erzählung «Die Hochzeit zu Kana» im Kreise seiner noblen Verwandtschaft an einer zeitgenössischen Festtafel in Szene setzen. Bildquelle: gemeinfrei.
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Bild 11 von 11. Was wie Wildschwein oder Geflügel aussah, musste noch lange keines sein. Die Köche der Adligen waren wahre Meister darin, Speisen zu imitieren und zu verfremden. Bildquelle: gemeinfrei.
Weitere Beispiele für hemmungslose mittelalterliche Kreativität:
- Pasteten, aus denen Kaninchen sprangen oder kleine Singvögel flatterten.
- Spanferkel, aus denen sich lebende Aale wanden
- Exotisch eingefärbte Speisen wie blaues Morchelmus oder grünes Spanferkel. Als «Lebensmittelfarben» dienten Petersiliensaft (grün), zerstossene Blüten (blau), Safran (gelb), Randen (rot) oder verbrannten Lebkuchenstücke (schwarz, braun).
- Güldene Speisen, die mit Blattgold beklebt waren
- Imitationen von beliebten Fleischgerichten aus Marzipan, Reis- und Mandelkäse, gefärbtem Fisch- und Krebsfleisch. So konnten auch während der Fastenzeit «Würste» und ähnliches aufgetischt werden.
- Pfauen und Schwäne, denen nach dem Kochen ihr Federkleid wieder so angeklebt wurde, dass sie lebendig erschienen.
- Coqz Heaumez, der «behelmte Hahn»: Ein Kapaun reitet in Ritterrüstung auf einem Spanferkel
- Cockentrice: Aus dem vorderen Teil eines Ferkels und dem hinteren eines Kapauns wird ein neues Tier, das einem Biest der antiken Mythologie nachempfunden ist.
- Das Riesenei des Basilisken: Das todbringende Zwitterwesen aus Hahn, Schlange und Kröte schlüpft der Sage nach aus einem riesigen Ei, das nur ein schwarzer, siebenjähriger Hahn legen kann.
Wie sich das damals tatsächlich furchteinflössende Riesenei auch ganz ohne Zauberkräfte fabrizieren lässt, ist in einem zeitgenössischen Rezept überliefert: