Es muss ein unvorstellbar vielfältiges Gezwitscher gewesen sein in den Landschaften der alten Eidgenossenschaft. So zumindest berichtet es 1575 Pfarrer Jodocus Oesenbry in seinem Buch zur Vogeljagd.
Die Vielfalt an Vögeln war nicht nur akustisch und optisch ein Genuss, sondern bereicherte dank ausgeklügelter Fangmethoden regelmässig den Menüplan der Menschen hierzulande.
Körperkraft, List und Täuschung
Für jede Vogelart kannte man Hilfsmittel, die geeignet waren, die flinken Vögel zu erwischen. So jagte man Geflügel wie Rebhühner, Wachteln oder Lerchen mit grossen quadratischen Netzen, in die man die Tiere mit Hilfe von Hunden oder Luchsen hineintrieb und mit einer Schnur festsetzte (Tirassieren).
Aber auch Vogelleim, Hunde und abgerichtete Jagdvögel wie Adler, Habichte, Falken und Käuze wurden zur Jagd eingesetzt. Bei der Jagd mit Vogelleim wurden sogenannte Leim- oder Pechruten mit Harz und Pech bestrichen und die Ruten mit falschen Vögeln und Blättern so präpariert, dass sich wilde Vögel auf diesen «Ästen» niederliessen und hängen blieben. Der Jäger brauchte sie danach nur noch einzusammeln.
Nachtvögel als Mobbingopfer
Für die Jagd auf Sing- und Greifvögel wurden bevorzugt Nachtvögel wie Käuze und Eulen eingesetzt. Man platzierte zum Beispiel einen Kauz auf einem vorbereiteten Ast und wartete, bis Amsel, Buchfink, Krähe und Co. sich mit viel Gezeter auf den Eindringling stürzten.
Immer wieder griffen sie den Eindringling an, um sich selbst und ihre Jungen vor der Gefrässigkeit des Kauzes zu schützen, machten sich dadurch aber zur leichten Beute. Durch das wiederholte Angreifen des Kauzes – im deutschen Jagdjargon «hassen» genannt, auf englisch «mobbing» –, waren die Vögel so stark abgelenkt, dass sie von den Jäger mit Netzen eingefangen werden konnten.
Vögel durften alle jagen
Während viele Bereiche der Jagd allein der Herrschaft vorbehalten war und sich die übrigen Stände mit Prügelfallen lästiges Kleinwild wie Marder oder Füchse und gefährliches Grosswild wie Bären, Wölfe und Wildschweine vom Hals halten durften, war die Vogeljagd als Niederjagd sämtlichen Bevölkerungsschichten zugänglich.
Jäger der einfachen Bevölkerung fingen Vögel aber eher für den Verkauf als sie selbst zu verspeisen. Vom Erlös eines schönen Singvogels konnte man sich mehr erhoffen als bloss eine kleine Mahlzeit.
Überhaupt wurden besonders farbenprächtige Vögel und Singvögel überwiegend für die Käfighaltung in den Herrschaftshäusern gefangen, Jagdvögel richtete man für die sogenannte Beize ab, zu der auch die Falknerei gehörte.
Der Kloben, die demokratische Vogelfalle
Der Kloben, eine Klemmfalle aus zwei Brettern, die über eine Schnur zusammengezogen werden konnte, war eine überaus beliebte Form der Vogeljagd.
Auch das Vogeljagdbuch von Jodocus Oesenbry widmet sich dieser Methode ausführlich, obwohl er als einfacher Pfarrer die aufwändig gestaltete Handschrift nicht für sich selbst in Auftrag gab, sondern sie als Geschenk dem damaligen Obervogt von Horgen und Abt von Wettingen übergab.
Die Jagd auf Vögel war also nicht nur ein weltliches Vergnügen, sondern begeisterte auch den Klerus. Zudem waren die eher grob anmutenden Jagdmethoden wie der Kloben in allen Schichten gebräuchlich und wurden nicht mit den bäuerlichen Prügelfallen gleichgesetzt.
Die Jagd aufs andere Geschlecht
Die Jagd mit dem Kloben war so verbreitet, dass er auch als Symbol eingesetzt wurde: Mit ihm liessen sich nicht nur Vögel jagen, sondern auch Frauen und Sünder.
Besonders die inszenierte Jagd auf das weibliche Geschlecht hatte es in sich. So nutzt in einem Lied des Minnesängers Oswald von Wolkenstein ein im Gebüsch versteckter Jüngling seinen Kloben nicht nur zur Jagd auf Amseln und Drosseln, sondern hofft auch auf den Besuch eines schönen Mädchens in seinem Versteck. Doch aufgepasst: Nicht nur Männer waren mit dem Kloben auf Frauenfang, auch der Teufel fing mit Hilfe der Klemmfalle überhebliche Frauen und Männer ein!