Wie praktisch moderne Bekleidung ist, wurde auf der Zeitreise der Dietschis ins Jahr 1517 offensichtlich: Zwischen Kestenholz und Oensingen lösten sich bei Maurin die Nesteln, die Beinkleid und Wams zusammenhalten. Vater Christoph eilte seinem Sohn zu Hilfe, um das spontane spätmittelalterliche Kleidungsversagen innert nützlicher Frist wieder in den Griff zu bekommen.
Dass Männer heute Hosen tragen, ist keine Selbstverständlichkeit. Gerade so gut könnten es Röcke sein. Denn noch bis ins 14. Jahrhundert ähnelten sich Männer- und Frauenkleidung in Form und Schnitt stark. Männer trugen vornehmlich knielange Röcke und enganliegende Strümpfe, sogenannte Beinlinge. Überhaupt war die Grenze zwischen dem, was als männlich oder weiblich galt, noch lange nicht so klar wie heute.
Freier Blick auf den Schritt unerwünscht
Mit dem Wechsel vom Kettenhemd zum Plattenharnisch musste sich auch die Unterbekleidung verändern: Die Männerröcke wurden kürzer und körpernah geschnitten, die männliche Silhouette wurde betont. Plötzlich war der Blick auf die Unterhose frei, die «Bruoche», an der die Beinlinge befestigt wurden.
Die neue Freizügigkeit im Schritt war der Obrigkeit ein Dorn im Auge. Im Zürich des 14. Jahrhunderts wurden die Männer geheissen, mindestens knielange Mäntel und Röcke über ihren Beinlingen zu tragen. In Solothurn verfügte man noch im 15. Jahrhundert, dass man von Männern, welche «kurtze obercleidung» tragen die «ir scham vor und hinden nitt bedeckend», die Röcke gleich an Ort und Stelle einziehen und sie nicht mehr wiedergeben solle.
Kleines Stoffstück mit grosser Wirkung
Die Kleiderordnungen führten zu einem grundlegenden Wandel beim Design der Männerhose: Die Beinlinge wurden im Gesäss zusammengenäht und im Schritt mit einem dreieckigen Stück Stoff verbunden – dem Hosenlatz.
Der Hosenlatz mauserte sich im 15. Jahrhundert schnell zum Dreh- und Angelpunkt männlicher Bekleidung. Aus dem schlichten Stücklein Stoff wurde ein modischer Blickfang mit wachsender Bedeutung und Grösse.
Das zweckmässige Detail ritterlicher Unterkleidung mutierte zum modisches Statement der Oberschicht, das immer aufwändiger und auffälliger gestaltet wurde. Was man sich Unsummen kosten liess.
Mode vom Schlachtfeld
Im 16. Jahrhundert gewinnt das städtische Bürgertum gegenüber Adel und Klerus an Macht und Einfluss. Handel und Geldwirtschaft ermöglichen den Bürgern einen aufwändigen Lebensstil, während der Adel kontinuierlich an Einfluss verliert.
Je durchlässiger die sozialen Schichten, desto grösser das Bedürfnis, sich durch sichtbare Statussymbole zu positionieren. Mit dem steigenden Kleideraufwand in der Renaissance steigt auch die Bedeutung des Hosenlatzes, aus dem nun die «Schamkapsel» wird: Der modebewusste Mann des 16. Jahrhunderts befestigt an seinem Schritt ein gestopftes Stück Stoff, das optisch an eine Erektion erinnert.
Ihre Wurzeln hatte die neue Mode in der Tracht der Landsknechte und der Schweizer Söldner. Als Kriegstracht trugen sie auffällige und geschlitzte Kleidung, deren Schritt von einer Schamkapsel gekrönt wurde, dem sogenannten «Ochsenkopf», «Hundsfidelböden» oder «Schneckenhäuslein».
Erst schockierend, bald banal
Die schamlos zur Schau getragene Pseudoerektion zeigte aller Welt die unbändige Manneskraft und Stärke ihres Trägers – Eigenschaften, die sich nicht nur Krieger gerne zuschrieben. Auch Adlige sonnten sich gerne in ihrer (vorgeblichen) Männlichkeit und fanden entsprechend Gefallen an der expressiven Männermode.
Das Anstössige verlor allerdings bald seinen Reiz, denn je verbreiteter die Schamkapsel war, desto weniger wurde sie wahrgenommen. Irgendwann war sie so alltäglich, dass die Herren darin ihre Habseligkeiten transportierten – oder daraus auch mal eine Orange hervorzauberten, um sie den anwesenden Damen anzubieten.