Heute erinnert fast nichts mehr an die einst blühende Steinindustrie im Urner Oberland. Im Laufe der Jahre hat die Natur die damals schon von weitem sichtbaren Einschnitte der Steinbrüche im Gotthardgebiet überwachsen.
Ein Steinbruch, der aussergewöhnliche Berühmtheit erlangte, war der Steinbruch Antonini in Wassen.
Er wurde vom italienischen Steinmetz Michele Antonini 1880 direkt oberhalb des Bahnhofs gegründet. So konnten die Steine direkt auf die Eisenbahn verladen und weitertransportiert werden.
Philippinischer Nationalheld steht auf Wassner Granit
Der Wassner Granit war äusserst hart und von bester Qualität. Die Stadt Basel liess deshalb 1902 die Mittlere Rheinbrücke ganz aus Wassner Granit bauen - der grösste Auftrag für den Steinbruch. Bern setzte ebenfalls auf Stein aus dem Gotthardgebiet. Viele Treppen im Bundeshaus sind aus Wassner Granit.
Der Stein machte aber auch international Karriere. So wurden Sockel und Obelisk des Denkmals für den philippinischen Nationalhelden José Rizal aus Wassner Granit gemeisselt. Das Projekt wäre jedoch um ein Haar gescheitert: Schwedische Granitwerke machten kurz vor dem Ausliefertermin eine günstigere Offerte.
Nur eine Intervention des Bundesrats machte es möglich, dass der Auftrag in Wassen blieb.
Jeder Stein von Hand gemeisselt
Wassner Granit ist sehr fein strukturiert - nur Spezialisten konnten den Stein bearbeiten. Die meisten Steinmetze im Wassner Steinbruch stammten deshalb aus dem italienischen Bergamo.
«Eine der grössten Herausforderungen war das Wetter», sagt der Wassner Heinz Baumann, dessen Vorfahren noch im Steinbruch gearbeitet hatten.
Die Steinmetze mussten sowohl bei grosser Hitze als auch bei klirrender Kälte im Akkord arbeiten.
Sank das Thermometer unter null Grad, konnten die Steine nicht mehr gespalten werden. Für die Arbeiter bedeutete dies, dass Arbeit und Lohn ausfielen.
Konkurrenz von Maschinen
In den 1970er-Jahren musste der Steinbruch seinen Betrieb einstellen. Zu gross wurde die Konkurrenz von Maschinen und vom günstigeren und einfacher zu bearbeitenden Tessiner Gneis.
Sehen wird man den Wassner Granit aber noch lange: Unzählige Kolonnensteine entlang von Strassen in der ganzen Schweiz stammen aus Wassen. Und im Dorf selbst zeugen noch die Staumauer Pfaffensprung und das Schulhaus von der Blütezeit des Wassner Granits.
Damit das Wissen über den geschichtsträchtigen Ort nicht in Vergessenheit gerät, hat Heinz Baumann den ehemaligen Steinbruch in ein idyllisches Freilichtmuseum verwandelt.