«Seh ich in dem Pullover wie ein Öko aus?», fragt Nicola Mastroberardino und schaut stirnrunzelnd auf seinen bunten Strickpullover. Wir sitzen in einem Café in Basel und trinken Cappuccino.
Dann fängt er an zu lächeln: «Ach, ist doch egal.» Mastroberardino ist eher der nachdenkliche Typ und strahlt dennoch eine Gelassenheit und ein Selbstvertrauen aus, wie man es selten antrifft. Der Typ Mensch, den alle auf Anhieb mögen.
Der schönste Basler Schauspieler
Der Künstler macht einen so überraschend ungekünstelten, ja unverfälschten Eindruck. Dabei wurde der 40-Jährige mit der Russell-Brand-Mähne und dem spitzbübischen Lächeln von Basler Medien zum schönsten Schauspieler des Theater Basel gekürt. Mastroberardino wird eher rot, als dass er vom Boden abheben würde.
Dem breiten Publikum ist der Theaterschauspieler unbekannt. Das könnte sich bald ändern. In der neuen SRF-Serie «Seitentriebe»spielt Mastroberardino eine Hauptrolle.
Mastroberardino als «Beautiful Loser»
Vor zwei Jahren setzt sich Drehbuchautorin Güzin Kar in eine Vorstellung des Theaters Basel: «Engel in Amerika» heisst das Stück. Mastroberardino spielt darin einen Homosexuellen, der an Aids erkrankt. Für «Seitentriebe» sucht Kar nach einem Schauspieler, der die nötige Feinfühligkeit für ihre männliche Hauptfigur Gianni mitbringt. Der Zürcher Schauspieler überzeugt sie.
Nun ist Mastroberardino also Gianni: Ein unsicherer, unbeholfener Typ, der einem zeitweise wie ein verlassener Hundewelpe vorkommt. Mastroberardino fühlt sich der Figur sofort nah. Ihm gefallen solche «Beautiful Losers». Helden findet er langweilig.
Gianni ist sich in seiner Rolle als Mann unsicher. Seine Frau Nele ist schliesslich die, die im Handwerker-Overall und mit einer Kettensäge in der Hand ums Haus spaziert. Ein Sinnbild?
«Wir Männer sind total verunsichert»
In Zeiten des Feminismus scheint der männliche Heroismus überholt. Frauen können schliesslich selber für sich sorgen. Und trotzdem wünschen sie sich einen Beschützer, der sich um sie prügelt.
Zwischen Softie und Macho – der Mann von heute befindet sich in einer Identitätskrise. Mastroberardino unterschreibt die These: «Wir wollen ja alles richtigmachen. In der Gleichstellung, in Beziehungen. Aber wir Männer sind total verunsichert, wenn es darum geht, was wir eigentlich tun sollen.»
Wer schraubt die Nägel cooler?
Als das Gespräch in Richtung Gender schwappt, verschwindet die anfängliche Gelassenheit. Mastroberardino greift sich in seine Lockenhaare und lacht laut: «Das Thema ist echt heikel. Ich habe Angst, was Falsches zu sagen.»
«Seitentriebe» nährt sich von genau dieser Unsicherheit und spielt mit dem traditionellen Bild des «echten Kerls». Gibt es denn Situationen, in denen sich Mastroberardino seine Männlichkeit beweisen muss?
«Ich bin handwerklich völlig unbegabt und trotzdem habe ich das teuerste Werkzeug, das man im Laden kaufen kann. Als ich einmal mit einem Kumpel ein Ikea-Bett zusammenschrauben musste, brach sofort der Hahnenkampf aus. Ein Wettkampf darum, wer beim Nägel-Schrauben cooler aussieht.»
Erfolg auf der Bühne und jetzt auch in TV und Film?
Es läuft rund für den Schauspieler. Mit seiner aktuellen Produktion «Woyzeck» ist der Zürcher dieses Jahr zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Sozusagen der Ritterschlag in der Branche.
Und auch wenn er die Bühne nie ganz verlassen würde, «Seitentriebe» könnte für Mastroberardino zur Eintrittskarte fürs TV- und Filmgeschäft werden. Solange er keinen Handwerker spielen muss, wird seinem Erfolg nichts im Weg stehen.