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«Sex Educator» im Gespräch «Wenn man während dem Sex lachen kann, hat man das Ziel erreicht»

Sarah Klapisch ist jung, jüdisch, queer und «Sex Educator». Im Gespräch mit Kathrin Hönegger spricht sie über eine gesunde Beziehung zum eigenen Körper, wie man über Sex reden sollte und wie Stress und Lustlosigkeit zusammenhängen.

Sarah Klapisch

Sex Educator

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Sarah Klapisch ist mit einer deutschen Mutter und einem französisch-israelischen Vater in den USA in einem jüdischen Umfeld aufgewachsen. Als 12-Jährige kam sie in die Schweiz. Sie ist ausgebildete Sexualpädagogin und -Beraterin, bietet Therapiestunden und Coachings an und gibt in Schulen Aufklärungsunterricht.

SRF: Sarah Klapisch, wie bist du aufgeklärt worden?

In den USA, wo ich als Kind gelebt habe und dann hier in der Schweiz. Das waren zwei sehr verschiedene Arten von Aufklärung. Es ging aber immer vor allem um biologische Aspekte, wie man Kinder bekommt. Man hat nicht darüber geredet, was der Unterschied zwischen Vulva und Vagina ist. Queerness, Homo- oder Bi-Sexualität wurde nicht thematisiert.

Die Beziehung zum eigenen Körper und zur eigenen Sexualität ist das Fundament für Beziehungen mit anderen Menschen.

Du hilfst Menschen, sich in ihrer Sexualität «zu Hause zu fühlen». Wie schafft man das?

Indem man einen entspannten Umgang mit sich selbst hat. Die Beziehung zum eigenen Körper und zur eigenen Sexualität – sowohl körperlich als auch emotional – ist das Fundament für Beziehungen mit anderen Menschen.

Welche Themen begegnen dir in deiner Praxis häufig?

Die Lustlosigkeit. Was dahinter steckt, ist sehr individuell. Oft sind es emotionale Themen. Dann geht es darum, sich zu öffnen und zu schauen, was einen gerade beschäftigt. Wenn man gestresst ist, kann man den Erregungszustand physiologisch gar nicht erreichen, weil das Blut in die Arme und Beine fliesst. Wir brauchen es aber im Genitalbereich.

Wir nehmen Sex zu ernst. Uns fehlt eine spielerische Leichtigkeit.

Für viele Menschen ist es schwierig, vom Arbeitsmodus im Kopf wegzukommen und im Moment präsent zu sein. Wir müssen das immer wieder üben. Höre ich mein Herz pochen? Wie fühlt sich mein Körper an? Oft steht den Leuten ihr eigener Alltag im Weg.

Mit Nemo hat Queerness eine neue Sichtbarkeit bekommen. Wie wichtig ist es, dass man offen über seine Sexualität spricht?

Sehr wichtig. Die Suizidalität ist bei trans Personen weitaus höher als bei cis Jugendlichen. Mit einer grösseren Sichtbarkeit von Geschlechtervielfalt haben wir auch ein besseres Verständnis für die Komplexität dieses Themas. Es sind also lebensrettende Massnahmen, wenn ich das so dramatisch sagen darf.

Was bedeutet «cis»?

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Cis Menschen sind Personen, die sich dem Geschlecht zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zugeteilt wurde. Das Gegenteil von cis ist trans.

Du machst heute den Job, den du als Teenager in der Aufklärung vermisst hast. Was hat dir damals gefehlt?

Rollenbilder. Ich kannte keine lesbischen oder queeren Paare. Was mir auch gefehlt hat, ist eine Art emotionale Aufklärung.

Wenn Kinder über ihren oder andere Körper lernen wollen, sollten wir offen sein.

Was heisst es überhaupt, Gefühle für jemanden zu haben? Eine gesunde Beziehung zu führen? Wie weiss ich, dass ich gut behandelt werde? Das ist genauso wichtig, wie über ungewollte Schwangerschaften und sexuell übertragbare Krankheiten zu lernen.

Wie spricht man mit Kindern über Sexualität?

Kindliche Sexualität ist nicht das gleiche wie erwachsene Sexualität. Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Vorstellung und unsere Scham nicht auf die Kinder projizieren. Wenn Kinder über ihren oder andere Körper lernen wollen, sollten wir offen sein und Fragen altersgemäss ehrlich beantworten. Wenn man «Pfui» sagt, wenn sich ein Kind im Genitalbereich berührt, ist das keine förderliche Reaktion.

Was wird über Sex zu selten gesagt?

Dass es lustig ist. Ich finde, wir nehmen Sex zu ernst. Uns fehlt eine spielerische Leichtigkeit. Wenn man während dem Sex lachen kann, hat man das Ziel erreicht.

Ruinieren uns Pornos?

Pornografie ist nicht per se schlecht oder gut. Es gibt immer mehr ethische Pornografie und solche, die die Lust von queeren Menschen und Frauen in den Fokus stellt. Es gibt auch erotische Literatur oder Hörbücher. Wir können uns bewusst entscheiden, was wir konsumieren. Ich empfehle das Buch «Come as you are» von Emily Nagoski oder die Serie «Sex Education».

Das Gespräch führte Kathrin Hönegger.

Radio SRF 3, «Focus», 17.6.2024, 20 Uhr ; 

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