Am Freitag steht für die Schweiz das wohl entscheidende Spiel in der WM-Qualifikation um den Sieg in der Gruppe C an. Das Team von Trainer Murat Yakin trifft um 20:45 Uhr in Rom auf Italien.
Alberto Cerruti, Journalist bei der Gazzetta dello Sport, nimmt im Interview die beiden Teams unter die Lupe und verrät, was für die Schweiz der Schlüssel zum Erfolg sein könnte.
SRF Sport: Was hat sich seit der EM und der 0:3-Niederlage der Schweiz gegen Italien verändert?
Alberto Cerruti: Es hat sich viel verändert. Nach der EM hat Italien die Magie verloren. Es ist nicht mehr die gleiche Mannschaft. Und gleichzeitig hat in der Schweiz mit dem neuen Trainer eine neue Ära begonnen. Dadurch sind sich Italien und die Schweiz deutlich nähergekommen. Heute gibt es keinen 3-Tore-Unterschied mehr zwischen der Schweiz und Italien.
Die Schweiz hat weniger zu verlieren als Italien und wird deshalb befreiter aufspielen.
Wie ist die allgemeine Stimmung in Italien?
Man spürt natürlich viel Zuversicht, aber auch eine gewisse Besorgtheit. Es sind Spieler dabei, die nicht in Bestform sind. Zudem hat Italien schon immer Mühe mit dem Toreschiessen gehabt. Ich habe ein Interview mit dem italienischen Verbandspräsidenten Gabriele Gravina gelesen, wo er gesagt hat, wegen dem Spiel gegen die Schweiz sehr angespannt zu sein.
Wie werden die Italiener das Spiel angehen?
Italien wird natürlich auf Sieg spielen. Italien will offensiv agieren und gewinnen – wie sie es unter Roberto Mancini immer machen. Aber Italien muss aufpassen. Die Schweiz hat weniger zu verlieren als Italien und wird deshalb befreiter aufspielen. Psychologisch gesehen ist es für die Schweiz einfacher, weil sie weiss, nicht um jeden Preis gewinnen zu müssen.
Beiden Mannschaften fehlen wichtige Spieler. Bei welcher Mannschaft wiegen diese Ausfälle schwerer?
Ich glaube, dass die Ausfälle vor allem der Schweiz weh tun. Sie hat weniger Tiefe im Kader und deshalb weniger Alternativen als Italien. Aber die Italiener haben neben den Absenzen auch Spieler, die nicht in Bestform sind. Belotti kehrt von einer längeren Verletzungspause zurück. Barella, der eine hervorragende EM spielte, hat seit Saisonbeginn viel abgegeben. Jorginho ist nicht mehr derselbe wie an der EM.
Welcher Spieler könnte auf italienischer Seite eine entscheidende Rolle spielen?
Die Schweiz muss vor allem auf Barella aufpassen. Wenn er wieder zu alter Stärke zurückfindet, ist er sehr, sehr gefährlich. Denn er kann sowohl die Mitspieler vor dem Tor bedienen als auch selbst Tore schiessen. Die Stürmer erzielen nicht viele Treffer. Auch deshalb muss die Schweiz darauf achten, dass die Mittelfeldspieler nicht gefährlich in die Offensive kommen.
Die Bilanz spricht klar gegen die Schweiz. Auf welche Momente muss die Schweiz gegen Italien hoffen?
Man spricht im Vorfeld von grossen Spielen immer über taktische Systeme. Blicken wir auf das letzte Mailänder Derby zwischen Milan und Inter, das 1:1 endete. Ein grossartiges Spiel. Doch die Tore entstanden durch einen Elfmeter und ein Eigentor. Kein herausgespielter Treffer. Deshalb ist es wichtig, so viel wie möglich aus stehenden Bällen zu machen. Eckbälle, Freistösse, Elfmeter: Genau das sind die Situationen, in denen eine auf dem Papier schwächere Mannschaft dem stärkeren Team Schaden zufügen kann.
Zudem glaube ich, dass unter den vielen Weltklasse-Spielern, die die Schweiz hat, der grösste Champion Yann Sommer ist. Er ist ein Spieler, der in einer Mannschaft den Unterschied machen kann, gleich wie ein Stürmer in einer anderen. Italien hat zwar Donnarumma im Tor, aber Sommer steht ihm in nichts nach. Er wurde im internationalen Vergleich immer unterbewertet.
Italien hat zwar Donnarumma im Tor, aber Sommer steht ihm in nichts nach. Er wurde im internationalen Vergleich immer unterbewertet
Was muss die Schweiz machen, um Italien zu schlagen?
In erster Linie muss die Schweiz darauf achten, den Italienern nicht zu viel Raum zu gewähren. Es wird sehr wichtig sein, kompakt zu stehen und die richtigen Momente zu erkennen, um Angriffe zu lancieren. Die Schweiz muss die wenigen Räume nutzen, die ihr Italien gewährt. Der Konter – ein probates und spektakuläres Mittel – kann für die Schweiz der Schlüssel zum Erfolg gegen Italien sein.
Wie geht die Partie aus?
Ich glaube der Schweiz könnte in Rom der Coup gelingen. Italien wirkt auf mich ängstlich. Ich wäre nicht überrascht, wenn das Spiel 1:1 ausgeht. Ich glaube nicht, dass Italien deutlich siegt. Und falls, dann nur mit Mühe.
Das Gespräch führte Sven Dalla Palma.