Es gibt Sätze, die bleiben untrennbar mit der Person verbunden, die sie am Tag X in ein Mikrofon diktiert hat. Nicht selten würde sich diese Person irgendwann wünschen, vielleicht doch etwas andere Worte gewählt zu haben, weniger forsche etwa.
Es ist August 2010. Die Young Boys informieren über strukturelle Veränderungen in ihrem Betrieb. Stefan Niedermaier, der allseits beliebte CEO, muss gehen. Stattdessen wird Ilja Kaenzig als Geschäftsführer installiert. Es ist eine denkwürdige Pressekonferenz.
Benno Oertig, der damalige Verwaltungsratspräsident der Young Boys, sagt an diesem Tag etwas, das sich ins kollektive Gedächtnis der Fussballschweiz einbrennt. Er ruft die in Bern bald einmal berüchtigte «Phase 3» aus. Dreimal in Folge sind die Berner zuvor Zweite geworden in der Super League, jetzt wollen sie mehr, jetzt soll der Meister FC Basel endlich gestürzt werden.
Die Zeiten ändern sich
Fast sieben Jahre später, es ist der 7. April 2017, verkünden Bernhard Burgener und Marco Streller im Rahmen einer ausserordentlichen Generalversammlung eine Neuausrichtung des FC Basel. Nach 8 Meistertiteln in Serie und der Übergabe von Bernhard Heusler zu Bernhard Burgener soll frischer Wind in den Klub kommen. Man will vermehrt auf den eigenen Nachwuchs setzen und dabei trotzdem offensiven, attraktiven und erfolgreichen Fussball zelebrieren.
Streller sagte einen Satz, der wie ein Domino-Stein am Anfang einer langen Kette von Fehleinschätzungen steht, die das einst unerschütterliche Erfolgskonstrukt des Liga-Krösus FCB zum Einsturz bringen: «Vier bis acht Junge im Kader zu haben, ist realistisch. Im Moment ist der Abstand zu den Young Boys so gross, dass man dieses Risiko eingehen kann.»
Am Sonntag treffen die Young Boys und Basel in Bern aufeinander. Es ist kein Spitzenkampf, sondern das Duell Zweiter gegen Zehnter. 12 Punkte liegen nach 8 Runden zwischen den beiden erfolgreichsten Schweizer Klubs dieses Jahrtausends. Der Abstand scheint nicht nur aufgrund der neusten Unruhen beim FCB und der Entlassung von Timo Schultz zurzeit so gross wie nie.
Unterschiedliche Strategien
Während sich der einstige Talentmanager und Sportchef Christoph Spycher, mittlerweile Delegierter Sport im YB-Verwaltungsrat, mit seiner besonnenen Art und Akribie als absoluter Glücksfall entpuppte, fehlt dieser Ruhepol beim FCB.
Seit dem Abgang von Heusler und Georg Heitz hatten mit Streller, Ruedi Zbinden und Heiko Vogel drei Personen die sportliche Leitung inne. Und seit David Degen im Mai 2021 die Aktien von Burgener übernommen hat, redet auch er als Mitbesitzer in sportlichen Belangen mit. Die unterschiedliche Strategie der beiden Führungsetagen in Bern und Basel lässt sich auch mit dem Treiben auf dem Transfermarkt oder der Bewegung auf der Trainerbank illustrieren.
Die Kräfteverhältnisse vor dem sonntäglichen Klassiker sind klar. Irgendwann wird es vielleicht wieder passieren: Ein Mikrofon, ein paar Sätze – und plötzlich ist alles anders. Kurzfristig geht es für Basel aber einzig darum, nach dem verpatzten Saisonstart den Turnaround zu schaffen.