Baut Italien seine Serie aus?
«Wir sind das Spanien. Italiens Spektakel, im Mittelfeld beginnt die Show», schrieb die Gazzetta dello Sport mit Blick auf den bislang begeisternden und erfrischenden italienischen Offensivfussball, der jahrelang eher mit Spaniens Tiki-Taka-Künstlern assoziiert wurde.
Die «Squadra Azzurra» tritt an der EURO 2020 auf wie schon lange nicht mehr: Kein «Catenaccio», wenig Schauspielerei und Zeitspiel in erträglichem Mass. Kein Wunder, gelten die Italiener im 1. Halbfinal als Favoriten. Seit 32 Partien ist das Team ungeschlagen, zuletzt feierte es 13 Siege in Serie.
Spanien ist am Ball – aber bleiben sie so auch am Ball?
Obwohl die Ballbesitz-Philosophie seit Jahren als überholt gilt, hält das spanische Kollektiv unter Luis Enrique daran fest. Mit traumwandlerischer Sicherheit lassen die Spanier jeweils den Ball zirkulieren: Mit 67,2 Prozent Ballbesitz weisen sie den mit Abstand höchsten Wert an diesem Turnier auf (Italien: 55,8 Prozent).
Zu Beginn hatte dieses Monopol allerdings überhaupt nicht gefruchtet, stattdessen resultierten zwei enttäuschende Auftakt-Remis. Der Trainer wurde hinterfragt, Chancentod Alvaro Morata ausgepfiffen und sogar bedroht. Mittlerweile hat die rote Furie aber Fahrt aufgenommen. «Widrigkeiten zu überstehen, macht uns stärker», so Mittelfeldspieler Koke.
Kann Immobile sein «Bild» noch ändern?
Bleiben wird von dieser Endrunde neben dem kollabierenden Christian Eriksen oder Patrik Schicks Traumtor ein weiteres Bild: Wie Italiens Ciro Immobile im Viertelfinal gegen Belgien erst im gegnerischen Strafraum theatralisch zu Boden geht, sich dann nach dem 1:0 blitzartig erholt und mit Torschütze Nicolo Barella feiert.
Der Zeit seiner Karriere umstrittene Stürmer hat durchaus die Qualität, ein Spiel zu entscheiden. So ist die Chance für Immobile, sein «Turnier-Bild» noch zu ändern, durchaus da: Zum Beispiel mit dem Tor, das Italien in den EM-Final schiesst und damit die Chance auf den ersten Titel seit 2006 aufrechterhält.
Wer stürmt über die spanischen Flügel?
Während der umstrittene Morata im Sturmzentrum der Spanier bislang gesetzt war, rotierte Trainer Enrique auf den Flügelpositionen fleissig. Zuletzt hatte PSG-Mann Pablo Sarabia über links den Vorzug erhalten, dieser leidet nun aber an einer Adduktorenverletzung.
So könnte Leipzig-Legionär Dani Olmo wieder nachrücken, der seinen Startplatz nach den ersten beiden Spielen verloren hatte. Mikel Oyarzabal (Real Sociedad) wäre eine weitere schlagkräftige Option. Auf der rechten Angriffsseite streiten sich Ferran Torres und Gerard Moreno um den Platz an der Sonne, mit Vorteilen für ersteren.