Die Ouvertüre zu den EM-Achtelfinals bestreiten am Samstag in Amsterdam Wales und Dänemark (ab 17:30 Uhr live auf SRF zwei und in der Sport App). Da stehen sich also zwei Turnier-Aussenseiter gegenüber – und beide vor einer machbaren Aufgabe.
Für Robert Page, den 46-jährigen Trainer der Waliser, geht es auch darum, weiter aus einem langen Schatten herauszutreten. Geboren im südwalisischen Dorf Llwynypia war er einst Captain und Torschütze in allen 4 englischen Top-Ligen. Er galt als eisenharter Verteidiger, sein rechter Unterarm ist auffällig tätowiert.
Der Freund und Fan aus der Ferne
Beim Thema Ryan Giggs, für den er an dieser EURO an der Seitenlinie einspringen musste, wird der Trainer des Halbfinalisten von 2016 richtig emotional. «Er ist ein Freund» sagt Page, «vergesst das alles mit Cheftrainer und Assistent, mit Interimstrainer. Er ist ein Freund. Wie jeder andere, der uns von zu Hause zusieht, ist er auch ein Fan.»
Auf dem Papier sieht das nach einer tollen Idee aus. Aber logistisch ist es ein absoluter Albtraum.
Weil Giggs, die Legende des walisischen Fussballs, sich wegen des Vorwurfs häuslicher Gewalt gegen zwei Frauen vor Gericht verantworten muss, steht Page nun im Rampenlicht. Er löst das mit Stolz, Leidenschaft und Hingabe, wird dafür verehrt. «Unterschätze niemals den Charakter eines Walisers», sagte er, nachdem seine «Drachen» trotz einer Niederlage gegen Italien vor der Schweiz den direkten Sprung in die K.o.-Runde geschafft haben.
Via Baku und Rom nach Amsterdam zu reisen, sei beileibe nicht einfach: «Auf dem Papier sieht das nach einer tollen Idee aus, eine EM in ganz Europa. Aber logistisch ist es ein absoluter Albtraum.» Und dann, fügte er hinzu, sei da ja auch noch Corona.
Wehe vor den Kontern ...
Dennoch würde Page selbstverständlich nur zu gerne die erneute Ochsentour nach Aserbaidschan auf sich nehmen. Der Gewinner des Spiels reist zurück nach Baku, um dort am 3. Juli die Niederlande oder Tschechien zu fordern.
Zunächst allerdings ist der Gegner Dänemark, das nach dem Christian-Eriksen-Drama auf einer Welle der Emotionen reitet. Page setzt auf den «phänomenalen Zusammenhalt» in der walisischen Kabine. Das Wort hat dort Superstar Gareth Bale.
Wales wird nicht rausgehen und die Dänen dominieren, das weiss auch Page, der selbst 41 Länderspiele absolviert hat. Aber: «Wir haben unsere Widerstandsfähigkeit gezeigt. Wir sind zäh.» Und: «Beim Konter haben wir die besten Spieler Europas.» Eine mit Blick auf Belgien oder Frankreich recht optimistische Einschätzung.
Wenn das Herz den Kopf übernimmt
Aber Page ist auch kein Taktikdozent, er kommt über das Gefühl. Seinen Spielern hat er die Nationalhymne «Hen Wlad Fy Nhadau» (Altes Land meiner Väter) von 1856, die nur in walisischer Sprache gesungen wird, ins Englische übersetzen lassen. «Ian Hughes aus der Medien-Abteilung hat eine Rede über unsere Hymne gehalten», berichtet der Trainer: «Sie ist sehr kraftvoll, das war ein emotionales Meeting.»
Ohnehin, sagt Page, «überstimmt mein Herz manchmal meinen Kopf». Auch beim Thema Ryan Giggs? Das ist offen. Giggs hat auf unschuldig plädiert.