Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen für den EM-Achtelfinal gegen Italien: Die Reise nach Berlin verlief am Freitagabend für die Nati alles andere als reibungslos. Nach einer IT-Panne bei der Flugsicherung Skyguide konnten in Zürich während 90 Minuten keine Flugzeuge abheben – darunter auch der Charter, der die Schweizer in Stuttgart abholen sollte. Die Nati kam deshalb erst mit 30-minütiger Verspätung in Berlin an.
Von Strapazen war aber weder Goalie Yann Sommer noch Coach Murat Yakin an der Medienkonferenz im Bauch des Olympiastadion etwas anzumerken. Vielmehr versprühte das Duo Zuversicht und gute Laune: «Ich würde nicht sagen, dass die Schweiz in der Favoritenrolle ist. Italien ist amtierender Europameister und war auch schon Weltmeister, das sagt schon einiges über ihre Qualität aus», sagte Sommer mit einem Schmunzeln zur Ausgangslage.
Altes System, neue Offensive
Im italienischen Fussball ist Abwehrarbeit grundsätzlich Trumpf: Trotzdem scheint die «Squadra Azzurra» in der Defensive vor einem Problem zu stehen: Mit Riccardo Calafiori (gesperrt) und Federico Dimarco (verletzt) fallen zwei Säulen für das Spiel gegen die Schweiz sicher weg. Dazu gesellt sich Alessandro Bastoni, der in den letzten Tagen Fieber hatte. Erst am Spieltag wird über seinen Einsatz entschieden. Vielleicht auch deshalb kehrt Luciano Spalletti zu seiner bewährten Viererkette zurück und beerdigt das Experiment mit der 3er-Kette aus der Partie gegen Kroatien.
Im Mittelfeld dürfte überraschend Bryan Cristante zum Einsatz kommen. Dem Römer wird eine ähnliche Rolle wie Schottlands Scott McTominay zugetraut, der die Kreise von Granit Xhaka (effektiv) störte. Dank der Systemanpassung ist auf dem rechten Flügel auch wieder Platz für den gefährlichsten Italiener, Federico Chiesa. Auf der anderen Seite wird über Stephan El Shaarawy spekuliert.
Nati-Trainer Yakin ist dagegen in der komfortablen Lage, nicht viel ändern zu müssen. «Ausser der Sperre gegen Silvan Widmer sind alle Spieler an Bord. Keiner ist krank oder verletzt», erklärte er. Im Training habe man zwei Varianten eingeübt: Eine mit 1:1-Ersatz Leonidas Stergiou, die andere wollte er nicht verraten: «Vielleicht ist Leonidas eine gute Variante, vielleicht ist aber auch die andere besser.»
Motivation für den Europameister – aber nicht zu viel
Motivation hat Italien im Achtelfinal nicht unbedingt nötig: Trotzdem sprach «Mister» Spalletti im Training sowohl den WM-Final 2006, den letzten Auftritt der «Squadra Azzurra» in Berlin, als auch das Verpassen der WM 2022 an. Damals gewann Italien keines der beiden Duelle mit der Schweiz, landete auf Platz 2 und schied danach in den Playoffs gegen Nordmazedonien aus. «Ständig Motivationsreden zu halten, kann aber auch nach hinten losgehen», er habe es deshalb nicht übertrieben, verkündete Spalletti.
Auch das Penaltyschiessen wurde im italienischen Lager geübt – und das aus gutem Grund: Alle bisherigen K.o.-Spiele an EM-Endrunden mit Schweizer Beteiligung gingen ins Elfmeterschiessen.
- Im Achtelfinal 2016 scheiterte man an Polen.
- 2021 eliminierte man zunächst Frankreich, schied danach im Viertelfinal aber gegen Spanien aus.
Stargoalie Gianluigi Donnarumma stärkte das Vertrauen seiner Teamkollegen auf besondere Weise: «Ich habe im Training extra ein paar reingelassen, damit sie nicht deprimiert sind.»
An Penaltys – insbesondere italienische – hat auch Antipode Sommer gute Erinnerungen, behielt er in der WM-Quali 2022 doch gegen Jorginho zweimal die Oberhand (einmal verschoss der Routinier). Diese Sorge muss Spalletti wohl diesmal nicht haben. Der Arsenal-Star dürfte mindestens zu Beginn auf der Ersatzbank sitzen.