2:08:10 Stunden. So schnell sind über die Marathondistanz mit Rekordhalter Tadesse Abraham und Vorgänger Viktor Röthlin erst zwei Schweizer gelaufen. Der Orientierungsläufer Matthias Kyburz plant im April beim Paris-Marathon, als dritter Schweizer in diese Sphären vorzustossen und die Olympia-Limite zu knacken, beim Debüt notabene.
«Es stimmt, die Zeit ist sehr ambitioniert. Die ersten Leistungstests haben mir aber gezeigt, dass es möglich ist. Gemäss den Puls- und Laktatwerten sollte die Zeit drinliegen, ich weiss einfach nicht, ob ich es über 42 km halten kann», blickt Kyburz zwei Monate vor dem Startschuss auf das Projekt voraus. Blauäugig nimmt er dieses nicht in Angriff. Mit Röthlin hat er einen Coach engagiert, der grosse Stücke auf seinen Schützling hält. «Matthias bringt mehr Grundspeed mit, als ich während meiner Karriere jemals hatte. Der Knackpunkt wird sein, wie er die geforderte Pace über die Marathon-Distanz verkraftet.»
Neue Herausforderung nach Heim-WM
Der Abstecher des achtfachen OL-Weltmeisters auf die Strasse kommt nicht von ungefähr. Seine läuferische Stärke ist über die OL-Szene hinaus bekannt, an Strassenläufen hat er den Schweizer Leichtathletik-Cracks schon des Öfteren ein Schnippchen geschlagen. «Einen Marathon zu laufen, war schon länger im Hinterkopf. Ein Sportarzt hat mir schon vor 10 Jahren gesagt, ich wäre prädestiniert dafür», so Kyburz. Die Freude am Orientierungslauf hat ihn davon abgehalten, bis jetzt.
Nach der erfolgreichen Heim-WM 2023 in Flims-Laax war die Zeit reif für eine neue Herausforderung. Nachwuchs im eigenen Haus und die daraus bedingte Lust, auf OL-Trainingslager im Frühling zu verzichten, bestärkten Kyburz in diesem Vorhaben.
Die fehlende Erfahrung
Der Fahrplan in den kommenden zwei Monaten wird Kyburz von Röthlin vorgegeben. Mit wissenschaftlicher Unterstützung versucht der ehemalige Spitzenläufer, Kyburz bestmöglich auf das Debüt vorzubereiten. Obwohl die Leistungstests bisher vielversprechend ausfielen, bleibt ein Fragezeichen: «Ich weiss nicht, wie mein Körper nach 30 km reagiert. Die Erfahrung fehlt mir und an diese kann ich mich im Training höchstens herantasten.» Genau diese Ungewissheit reize ihn aber an diesem Projekt.
Zumindest mental helfen ihm die Erfahrungen aus der Vergangenheit. Der Fricktaler, der im ersten Pandemie-Jahr den Weltrekord über 50 km auf dem Laufband knackte und im selben Jahr überlegen den Swiss Alpine Marathon gewann, weiss, dass er über lange Distanzen bestehen kann.
Coach Röthlin führt eine andere Hürde ins Feld. Statt Trainings im Gelände spult sein Schützling nunmehr Kilometer um Kilometer in Carbonschuhen auf Asphalt ab. «Das ist etwas komplett anderes für die Muskulatur». Kyburz sagt, sein Bewegungsapparat habe diese Änderungen bisher aber problemlos aufgenommen. Und doch hat der 33-Jährige beim Blick in den Spiegel unerwartete Veränderungen festgestellt. Die fehlenden Höhenmeter im täglichen Training hätten bereits zum Abbau der Muskulatur geführt. «Das kraftbetonte Laufen fehlt. Ich habe das Gefühl, meine Beine sind dünner geworden.»
Ein einziger Versuch
Der Start in Paris ist für Kyburz ein einmaliges Projekt. Sollte es mit der Limite nicht klappen, würde er im Mai in die OL-Saison einsteigen. Im Sommer 2025 wartet die letzte Lücke in seinem eindrücklichen Palmarès darauf, geschlossen zu werden. An der WM in Finnland soll Gold über die Langdistanz her.
Für Röthlin ist dies Zukunftsmusik: «Mein Ziel ist es, dass Matthias in diesem Jahr kein OL-Läufer mehr wird.»