Im Vorfeld der Hallen-EM im polnischen Torun hatte Stabhochspringerin Angelica Moser festgehalten: «4,70 m habe ich drauf, wenn es passt. Diese Marke nehme ich mir zum Ziel für die Titelkämpfe.» Ihre Ansage setzte die 23-jährige Zürcherin verlässlich um – mehr noch. Sie nahm auf ihrer persönlichen Rekordjagd gleich zwei Stufen auf einmal, zur Belohnung gab es Indoor-Gold.
Der Reihe nach: Moser fand am Samstag harzig in den Wettkampf: Die Höhen von 4,60 sowie 4,65 m, ihr bisheriger Bestwert, übersprang sie erst mit dem dritten und letzten Versuch. Dann nahm sie die nächst höhere Stufe souverän im ersten Anlauf.
Auch beim gültigen Sprung über 4,75 m hatte sie Marge, die Querstange touchierte sie nicht. Somit fehlen nur noch 5 Zentimeter zum Schweizer Rekord von 4,80 m, den Nicole Büchler seit 2016 hält.
Mumm, Planungssicherheit und neue Aussichten
An der Marke von 4,70 m hatte Moser schon lange geschnuppert. Es war eine Frage der Zeit, bis die Nichte von Swiss-Olympic-Präsident Jürg Stahl das Eintrittstor zur Weltklasse knacken würde.
Ihre Steigerung um gleich 10 cm eröffnen der Betriebswirtschaftsstudentin Perspektiven für den Sommer. Die Olympia-Limite für die Spiele in Tokio hat sie um 5 cm übertroffen. Dies gibt nebst Mumm Planungssicherheit. «Es ist crazy. Ich kann es noch nicht glauben», sagte sie im Interview auf dem Video-Kanal von Swiss Athletics.
«Von einer Medaille habe ich geträumt, nicht aber von Gold», fügte sie an. Somit ist auch ihre Scharte ausgewetzt von der Hallen-EM 2019 in Glasgow, wo sie Vierte geworden war.
Mit professioneller Hilfe einen Ausweg gefunden
Moser tritt effektiv befreiter auf als in früheren Jahren und mit einem ganz neuen Selbstverständnis. Dies mag mit ihrem Tabubruch zusammengehangen haben, den sie im vergangenen Herbst in der SonntagsZeitung publik machte. Sie sprach öffentlich über Essstörungen und Jahre des Leidens, die hinter ihr liegen.
Am Abend nach Wettkämpfen habe ich im Zimmer jeweils gefuttert: Süsses, Fettiges, alles miteinander.
Als der Lockdown damals im April 2020 erst wenige Wochen alt gewesen war, habe es bei ihr plötzlich klick gemacht. «Ich war süchtig und zuckerabhängig», wählte sie klare Worte. Am Abend nach Wettkämpfen habe sie im Zimmer jeweils gefuttert: Süsses, Fettiges, alles miteinander.
Dank einer Therapie für Menschen mit gestörtem Essverhalten, zugeschnitten auf Spitzensportler, fand sie erst im letzten Sommer aus dem Teufelskreis heraus. Diesen wertvollen Sieg über die eigenen Schwächen transportiert sie nun auch auf die Sportbühne.