Es sind Bilder, die einem auch jetzt noch unter die Haut gehen. In einer Abfahrt rund 40 Kilometer vor dem Ziel in Como kam Remco Evenepoel von der Strecke ab, kollidierte mit einer Brückenmauer und stürzte einen Abhang hinunter. Der damals 20-Jährige verschwand in den Büschen. Bange Minuten begannen, ehe klar wurde, dass Evenepoel bei Bewusstsein ist, dass er lebt.
Der fürchterliche Sturz liegt mittlerweile fast 14 Monate zurück. Der Beckenbruch ist verheilt, von der Lungenquetschung hat sich der Belgier erholt – und seine Form hat er wiedergefunden.
«Hölle des Nordens» lieber als Zuschauer
Evenepoel hatte im Mai am Giro ohne einen einzigen Renntag in den Beinen sein Comeback gegeben. Ihm wurden schnell die Grenzen aufgezeigt. Seither ging es aber stetig aufwärts. Im Juni gewann er die Belgien-Rundfahrt, im August die Dänemark-Rundfahrt. Beide gehören zwar nicht zur Stufe World Tour, zuletzt mischte Evenepoel aber auch bei internationalen Titelkämpfen vorne mit. An der EM holte er Silber auf der Strasse, im Zeitfahren gewann er sowohl an der EM wie auch an der WM Bronze.
Und wo war der Belgier am Sonntag bei der Schlammschlacht Paris - Roubaix? «Ich war besser dran in meinem Stuhl mit etwas zu Essen. Ich glaube nicht, dass die ‹Hölle des Nordens› etwas für mich ist», sagte der Deceuninck-Quickstep-Profi in einem Interview mit der belgischen Sportzeitung La Dernière Heure.
Evenepoel kennt Roubaix aus seiner Juniorenzeit. Bei seiner einzigen Teilnahme 2018 verpasste er den Kontrollschluss. «Einmal hat mir gereicht. Auch wenn man niemals nie sagen sollte», lautete seine Bilanz.
Zurück am Ort des Geschehens
Ob Evenepoel der «Königin der Klassiker» für immer fernbleiben wird, wird sich zeigen. Zurückkehren wird er am Samstag allerdings an jenen Ort, wo er Mitte August so schwer gestürzt ist. An der Lombardei-Rundfahrt gehört der 21-Jährige neben zahlreichen anderen Kandidaten – wie so oft bei Eintagesrennen – zu den Mitfavoriten.
Auf wen sein Deceuninck-Quickstep-Team setzt, ist allerdings unklar. Mit Julian Alaphilippe hat das erfolgsverwöhnte Team nicht nur den frischgebackenen Weltmeister in seinen Reihen, der Franzose ist auch ein ausgesprochener Klassiker-Spezialist.
Mindestens ein gutes Argument hat aber auch Evenepoel zu bieten: Am Montag setzte er sich beim italienischen Halbklassiker Coppa Bernocchi nach einem 30 Kilometer langen Soloritt überlegen durch und sorgte bei seiner Hauptprobe in der Lombardei für ein dickes Ausrufezeichen.