In einem Punkt ist sich die Schwingergemeinde nach dem Schlussgang des Eidgenössischen in Pratteln einig. Joel Wicki hat den Griff bei seinem entscheidenden Schwung gegen Matthias Aeschbacher verloren. Streng nach Regelbuch hätte der Gang weitergehen müssen.
Dass deswegen nun landauf, landab über die Szene diskutiert wird, erachtet SRF-Schwingexperte Jörg Abderhalden als normal. Doch er verzichtet explizit darauf, den Kampfrichter in die Verantwortung für den Fehlentscheid zu ziehen.
Schwierige Situation für Kampfrichter
«Ich habe es live nicht gesehen. Wenn man es im Video in der Zeitlupe suchen muss, dann ist das für den Kampfrichter vor Ort unheimlich schwierig zu entscheiden.» Innert Sekundenbruchteilen gelte es, auf unterschiedliche Dinge zu achten. Waren wirklich beide Schulterblätter im Sägemehl? Verlief der Schwung regulär?
«Vielleicht hat der Kampfrichter etwas mehr auf den Rücken als auf den Griff geschaut. Es ging ja immerhin um Sieg oder Niederlage», so der dreifache Schwingerkönig.
Verständnis bringt auch Stefan Strebel auf. «Unsere Kampfrichter konnten das nicht sehen. Somit haben sie richtig entschieden. Wicki ist ein würdiger König», stellt der Technische Leiter des Eidgenössischen Schwingverbands klar.
Über die Frage, ob bei solch strittigen Fällen ein Video-Schiedsrichter Abhilfe schaffen könnte, wurde im Verband auf die Initiative Strebels hin bereits gesprochen. Aufgrund finanzieller und technologischer Überlegungen habe man sich bis auf Weiteres dagegen entschieden, die Idee weiter zu verfolgen. «Damit kann ich sehr gut leben.»
Der siegreiche Wicki sprach sich am Tag danach dafür aus, einen Versuch zu starten. «Ich würde vorschlagen, dass man das einmal testet. Aber ob es dann besser wäre oder nicht, kann ich auch nicht sagen.»
Wer entscheidet dann am Schluss?
Abderhalden gibt zudem zu bedenken, dass auch ein VAR, wie es ihn im Fussball gibt, nicht die Lösung aller Probleme wäre. Im Fall von Pirmin Reichmuth, der Bernhard Kämpf eigentlich im Sägemehl hatte, war er klar der Meinung, dass das Resultat hätte gegeben werden sollen. «Aber vielleicht gäbe es Kampfrichter, die auch nach der Video-Konsultation sagen würden, dass es zu knapp war. Wer entscheidet dann am Schluss?»
Verbesserungen in der Ausbildung
Strebel legt den Fokus auf die Ausbildung der Kampfrichter. Vor dem Eidgenössischen sei in dieser Beziehung schon viel unternommen worden. Klare Entscheidungen in Drucksituationen fällen zu können, sei wichtig und werde geschult. «Sie machen es jetzt schon gut. Aber da kann man sicher noch das eine oder andere Prozent dazulegen.»