Legenden verzweifelt gesucht – die Skisprungwelt vermisst ihren Simi und ihren Nori. Die Fahndungs-Beschreibung: Simon Ammann ist Schweizer, hat blaue Augen und ihm sitzt auch mit 41 Jahren noch der ewige Schalk im Nacken. Der Japaner Noriaki Kasai hat sich mit 50 Jahren längst den Titel «Flugsaurier» verdient, trägt zudem den beeindruckendsten «wilden Zahn» des Wintersports.
Nur: Wo sind sie hin? Kein Karriereende angekündigt, keine Pläne – nur viel Funkstille auf den gängigen Kanälen. Zumindest in Sachen Simi könnte ab Freitag Klarheit herrschen: Ammann tauchte überraschend im Schweizer Aufgebot für den Heimweltcup in Engelberg auf.
Wird es ein Abschiedsauftritt? Oder gibt sich der Doppel-Doppel-Olympiasieger zehn Tage später auch bei der Vierschanzentournee die Ehre? «Früher habe ich alles rund ums Springen geplant, jetzt plane ich rund um mein Studium herum», sagte BWL-Student Ammann Anfang Oktober.
Seit dem Weltcupfinale in Planica im März hat Ammann keinen Wettkampf bestritten – Familie, Fliegerei, Studium rückten in Fokus. Dabei waren seine Ergebnisse für einen Teilzeit-Spitzensportler zuvor ordentlich: 13. war er beim Tournee-Springen in Oberstdorf im Vorjahr, Olympia-Team-Achter in Peking – 24 Jahre nach seinem olympischen Debüt.
Wann kommt der würdige Abschied?
Längst hätte er sich zurückziehen, mit Ehefrau Yana und den drei Kindern ein entspanntes Leben geniessen können. Und zweimal hatte sich Simi auch schon von Olympia verabschiedet. 2014 in Sotschi, als er emotional verkündete, «zu 99 Prozent nicht mehr in Pyeongchang dabei» zu sein.
Und als er vor den Spielen 2018 eben dort in Südkorea seiner Frau versprochen haben soll, dass danach nun wirklich Schluss sei. Und dann? Stand er 2022 in Peking und meinte über Cortina 2026: «Sag niemals nie.» Egal wie: Simi wird einen würdigen Abschied finden. Am Wochenende in seinem Engelberg vielleicht oder eben irgendwann.
Kasai auf dem absteigenden Ast
Bei Kasai darf man mittlerweile zweifeln. Einst war der Japaner Stammgast in Engelberg, sprang erstmals 1990 als 17-Jähriger im Weltcup am Gross-Titlis, die Gegner von damals sind heute teils über 60.
Anfang 2020 durfte Kasai zuletzt in Sapporo im Weltcup ran, Ende 2020 in Engelberg im Continental-Cup, zweite Liga, danach nur noch im FIS-Cup, dritte Liga, immerhin mit zwei siebten Plätzen. Der verzweifelte Kampf um die Rückkehr ins Weltcup-Team wird immer aussichtsloser, der Traum von einem Karriereende beim Olympia-Heimspiel in Sapporo 2030 mit dann 57 Jahren kann eigentlich nur platzen.
Ich werde bis zum Schluss mein Bestes geben.
Frei nach dem alten Lonzo-Westphal-Schlager: «Der Dinosaurier wird immer trauriger.» Doch Kasai lächelt die Traurigkeit weg, macht stoisch weiter, im Oktober bei den japanischen Meisterschaften, im Training in Slowenien, wo im Februar die WM stattfindet. Und vielleicht reicht es immerhin für den Engelberger Continental-Cup, eine Woche nach den Weltcup-Springen. «Ich fühle mich gut», schrieb Kasai zuletzt gewohnt knapp: «Und ich werde bis zum Schluss mein Bestes geben.»