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Thomas Bach und IOC am Pranger «Tag der Schande»: Welle der Empörung bricht über IOC herein

Das IOC hat Stellung bezogen – und sich für viele Beobachter auf die Seite des Aggressors geschlagen. Die Politik im Westen reagiert entsetzt.

Thomas Bach.
Legende: Ihm weht eisiger Wind entgegen IOC-Präsident Thomas Bach (Archiv). imago images/Christian Heilwagen

«Verheerendes Signal», «Verhöhnung der Toten» – und der Weltsport vor dem Sturz ins Chaos? Thomas Bach hatte mit Gegenwind gerechnet, doch was nach dem «Tag der Schande» auf ihn einprasselte, sucht auch in der Ära des umstrittenen deutschen Sportfunktionärs seinesgleichen. Politiker, Medien und Sportler aus den westlich geprägten Teilen der Welt reagierten mit Wut und Entsetzen auf die IOC-Entscheidung in der Russland-Frage. Die Zeitung USA Today verlieh Bachs IOC die «Goldmedaille für Feigheit und Heuchelei».

«Hohn und Spott für die Opfer des Krieges»

Der deutsche Athletenvertreter Maximilian Klein hält die Wiederzulassung der russischen und belarussischen Sportlerinnen und Sportler selbst unter den vom IOC definierten Bedingungen für falsch. «Wenn ein Aggressor, der einen Staat überfällt, Teil dieser Bewegung bleiben darf, obwohl diese sich für Frieden einsetzt, dann ist das Hohn und Spott für die Opfer dieses Krieges», sagt Klein im SID -Interview.

Bei ihnen geht es um die Möglichkeit anzutreten. Bei uns geht es ums Überleben.
Autor: Olga Charlan

Olga Charlan, als Fechterin ein Star in ihrer Heimat, ist am Boden zerstört. «Alle reden von den Russen. Die haben alles. Training in den besten Hallen, in ihren Riesenpalästen in Russland. Ein friedliches Leben im Familienkreis», sagte die Olympiasiegerin der FAZ : «Bei ihnen geht es um die Möglichkeit anzutreten. Bei uns geht es ums Überleben.»

Doch auch in Russland rief die IOC-Entscheidung Kritik hervor. Über «Diskriminierung» beschwerte sich Stanislaw Posdnjakow, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees Russlands, im Staatsfernsehen und nannte Bachs Beschluss eine «Farce».

Es kann sein, dass die eigentlichen Opfer boykottieren, und dass sie zum Rückzug gezwungen werden
Autor: Athletenvertreter Maximilian Klein

Zur selbigen könnten viele Sportwettkämpfe verkommen, auch die Olympischen Spiele in Paris. Das Beispiel Charlan und der ukrainischen Fechter, die den sportlichen Vertretern des Aggressors im Weltcup und der Olympia-Qualifikation gewichen sind, weist den Weg, den das IOC mit seiner Entscheidung pro Russland beschritten hat: «Es kann sein, dass die eigentlichen Opfer boykottieren, und dass sie zum Rückzug gezwungen werden», sagt Klein.

Boykott. Das böse Wort. Eines, das beim IOC niemand hören mag. Bislang deutet allerdings auch (noch) wenig darauf hin, dass sich westliche Staaten einem durchaus möglichen Rückzug ukrainischer Sportler anschliessen könnten. Swiss Olympic hält am Ausschluss fest, will die Entscheidung über eine Teilnahme aber Verbänden und Sportlern überlassen.

Schärfere Töne schlägt die Politik an. Vertreter verschiedener Parteien und Länder verurteilten die IOC-Linie und forderten vehement, den Ausschluss der kriegstreibenden Nationen aus dem Weltsport aufrechtzuerhalten. Die «Wiederzulassung» sei «eine Verhöhnung der über 220 toten ukrainischen Trainer, Athletinnen und Athleten», twitterte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (deutsche FDP). Polens Aussenminister Piotr Wawrzyk nannte den Mittwoch einen «Tag der Schande für das IOC».

Die empfohlenen Schritte mögen auf dem Papier gut aussehen, das IOC hat klare Neutralitätskriterien definiert und sie vor allem geschärft. Doch die Zweifel an deren Umsetzung sind massiv. Athletenvertreter Klein spricht von Empfehlungen, die von den Weltverbänden übergangen werden können. «So entsteht organisierte Verantwortungslosigkeit, wie wir das auch schon im russischen Staatsdoping-Skandal beobachtet haben.» Zudem sei «völlig unklar, was passiert, wenn russische auf ukrainische Athleten treffen».

Radio SRF 3, 28.03.2023, 16:30-Uhr-Bulletin ; 

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