Sie haben es klar vor Augen, die Organisatoren der Olympischen Spiele in Paris: Unter blauem Himmel und mit dem Eiffelturm im Hintergrund soll sich die Triathlon-Weltelite in die Seine stürzen. Als Star der Spiele soll der Fluss zudem die Eröffnungszeremonie und die Marathon-Schwimmwettbewerbe beherbergen.
Klingt gut, wird aber zumindest von den Anwohnenden mit Argwohn betrachtet. Denn seit genau 101 Jahren ist das Baden in der Seine verboten. Grund ist das alte Pariser Kanalisationssystem, Regen- und Abwasser werden zusammengeführt. Um den Fluss zurückzuerobern und auch nach den Sommerspielen in ein Badegewässer zu verwandeln, nahm man 1,4 Milliarden Euro in die Hände.
Doch das Wetter spielte nicht mit. Aussergewöhnlich starke Regenfälle führten zu einer weit über dem Normalwert liegenden Wassermenge und in der Folge einer hohen bakteriologischen Verschmutzung. Am 4. Juli rief man dann das Happy End aus: Die Qualität genüge den Ansprüchen.
8 Tage später teilte ein Sprecher des Rathauses der französischen Hauptstadt zudem mit, die Seine sei an «11 oder 10» der vergangenen 12 Tage sauber genug gewesen, um dort Schwimmwettbewerbe auszutragen. Mitteilungen, die mitunter von der Athletenschaft mit einem Fragezeichen versehen werden.
Macrons Chirac-Moment: Eine Sch***-Idee
Paris' Bürgermeisterin Anne Hidalgo und anschliessend Staatspräsident Emmanuel Macron hatten angekündigt, am 23. Juni in der Seine baden zu gehen. Doch die «classe politique» erlebte ihr gar nicht so blaues Wunder, sie hatte die Rechnung ohne die Menschen in der Hauptstadt gemacht. Unzufriedenheit wurde laut darob, dass man enorme Mittel dafür aufwende, um den Fluss für die Spiele sauber zu bekommen, aber nichts unternehme, um die sozialen Probleme der Stadt zu lösen.
Der (etwas sperrige) Hashtag #JechiedanslaSeinele23juin wurde ins Leben gerufen und damit der Aufruf: Bürgerinnen und Bürger, verrichtet euer grosses Geschäft in die Seine! Hidalgo verschob ihre Planscherei auf kurz vor den Olympischen Spielen, nach aktuellem Stand den 17. Juli (während Macron ohnehin andere Probleme zu bewältigen hat). Dasselbe Bade-Versprechen hatte übrigens Jacques Chirac 1988 abgegeben – und nie gehalten.
Nachdem das OK einen «Plan B» ausgeschlossen hatte, bestimmte es letzte Woche doch einen Ersatzstandort für den Marathonschwimm-Wettbewerb in Seine-et-Marne. Schon im August 2023 hatten die Test-Events grösstenteils abgesagt werden müssen. Die Wasserqualität entsprach nicht europäischen Standards, die Fäkalbakterien Escherichia coli und Enterokokken überschritten die Grenzwerte.
Duathlon statt Triathlon? Für die Schweiz wär's gut ...
IOC-Präsident Thomas Bach – müssig zu erwähnen, dass auch er Anfang Mai medienwirksam ein Seine-Bad ankündigte – übte sich im gewohnten «alles wird gut»-Mantra. Er liess aber mit folgender Aussage eines Not-Szenarios aufhorchen: «Es gibt im Triathlon die Regel, dass man dann einen Duathlon macht, ohne Schwimmen.»
Für das Schweizer Triathlon-Team wären das nicht unbedingt schlechte Nachrichten. An der EM 2023 in Madrid holten Cathia Schär und Adrien Briffod in ebenjenem Szenario Bronze. Auch Max Studer gilt nicht als Schwimmspezialist. Und Julie Derron kam beim Testevent in Paris als 24. aus dem Wasser und wurde am Schluss 8.
Denkbar, dass es Athletinnen und Athleten gibt, die auf den Eiffelturm-Hintergrund zugunsten der Aussicht auf ein olympisches Diplom ohne zu zögern verzichten würden ...