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Nach Dressur-Skandal Die Angst der Reiter vor dem Olympia-Aus

Die Britin Charlotte Dujardin bangt um ihre Karriere, der Reitsport um seine olympische Zukunft. Der Skandal um die dreifache Olympiasiegerin ist nicht der erste in diesem Jahr, Bilder von misshandelten Pferden sind keine Seltenheit mehr.

Die Dressur-Entscheidung vor der Märchenkulisse von Schloss Versailles ist seit mehr als einem Jahr ausverkauft, doch wenige Tage vor Beginn der Wettbewerbe hat sich ein tiefdunkler Schatten über die prachtvolle Residenz des Sonnenkönigs gelegt.

Charlotte Dujardin, dekoriert mit dreimal Olympiagold und geehrt als «Commander of The Order of The British Empire», hat im Training ein Pferd geschlagen. Mehrfach, genauer gesagt 24-mal, zu sehen auf einem Video, das der Sender ITV in seiner täglichen Show «Good Morning Britain» am Mittwoch präsentierte.

Charlotte Dujardin
Legende: Über ihrer Karriere hängen dunkle Wolken Charlotte Dujardin auf Imhotep (Archiv). IMAGO Images/Sven Simon

Die Pferdesport-Szene ist geschockt und sorgt sich einmal mehr um ihren olympischen Status. Die olympische Würde zu beweisen, dafür tun die Verbände alles. In Deutschland hat zuletzt unter anderem die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) unter dem Motto «#doitride» eine Kampagne ins Leben gerufen. Der Weltverband FEI zog mit der Initiative «Be a Guardian» nach, gibt sich als Hüter zum Wohle des Pferdes.

Erklärung, Rückzug, Suspendierung

Und dann drischt ausgerechnet Dujardin mit einer Gerte auf ein Pferd ein. Nicht ganz scharfe Bilder zeigen das ungeschönt, Dujardin selbst gab in den sozialen Medien zu, während einer Trainingseinheit einen Fehler gemacht zu haben.

Ihren Rückzug von Olympia untermauerte der Weltverband umgehend mit einer vorläufigen Suspendierung, Ermittlungen wurden aufgenommen.

Es ist indes nicht der erste Skandal, der die Dressur erschüttert:

  • Im Dezember 2023 brachte der dänische Sender TV2 verstörende Bilder aus dem Trainingsbetrieb des Reiters Andreas Helgstrand an die Öffentlichkeit.
  • Im Februar 2024 sprach die FEI von «beunruhigenden und abscheulichen Videos» der Trainingsmethoden von US-Dressurreiter Cesar Parra.
  • Und Ende Juni strich der dänische Verband seine Reiterin Carina Kassö Krüth aus dem Olympia-Aufgebot. Begründung: Verstoss gegen Paragraf 16 der gemeinsamen Bestimmungen für den Pferdesport. Darin heisst es unter anderem: «Reiten darf niemals mit psychischem oder physischem Missbrauch oder Gewalt gegenüber dem Pferd verbunden sein.»

Offene Fragen zum Video

Dujardin ist der erste ganz grosse Name in dieser «Bilanz des Schreckens», mit dem legendären Valegro hob sie einst die Dressur auf ein ganz neues Level. Das brisante Video sei dem niederländischen Rechtsanwalt Stephan Wensing von einer Mandantin zugespielt worden, heisst es in den britischen Medien und auf der niederländischen Website horses.nl.

Video
SRF-Pferdesport-Kommentatorin Michèle Schönbächler: «Der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos ist interessant»
Aus Sport-Clip vom 24.07.2024.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 45 Sekunden.

Im Gegensatz zu Dujardin selbst behauptet Wensing, das Video sei nicht vier, sondern zweieinhalb Jahre alt. Aber warum hat seine Mandantin, die anonym bleiben will, einen offensichtlichen Fall von Tierquälerei so lange zurückgehalten? Sie sei gewarnt worden, keine Anzeige zu erstatten, sagt Wensing, aber «als die Olympischen Spiele näherkamen, beschloss sie, zu handeln». Dujardin ist 39 Jahre alt, ihre Karriere könnte ein unrühmliches Ende gefunden haben.

SRF zwei, Sportflash, 21.07.2024 19:50 Uhr ; 

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