Sie zahlen die Anreise und die Unterkunft. Sie kommen für den grössten Teil ihrer restlichen Ausgaben auf. Und sie opfern meist all ihre Jahresferien.
Und trotzdem habe ich in Paris noch praktisch keine misslich gelaunte freiwillige Helferin getroffen, keinen Volunteer, der nicht freundlich und hilfsbereit seiner Arbeit nachgeht.
Der Austausch von Pins ist ein grosses Ding hier. Es ist wie eine Art Währung.
«Ich glaube, alle sind einfach dankbar und glücklich, hier zu sein, und das bringt die gute Stimmung», meint Amanda Emran. Die US-Amerikanerin aus Chicago hat sich mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen als Volunteer einen Lebenstraum erfüllt.
«Vor zehn Jahren habe ich eine ‹Bucket List› erstellt. Mit Olympia habe ich nun alle Punkte abgehakt, das ist ziemlich schockierend, aber auch aufregend», erzählt die 27-Jährige.
Von Olympiasieger bis Olympia-Präsident
Emran hat einen privilegierten Job: Im olympischen Dorf arbeitet sie im Volunteer-Zentrum und umsorgt ihre Kolleginnen und Kollegen, teilt diesen ihre Arbeitspläne zu und organisiert Aktivitäten. Und natürlich trifft sie allerlei berühmte Personen: Ihre Highlights waren bislang Kugelstoss-Olympiasieger Ryan Crouser und IOC-Präsident Thomas Bach.
45'000 Personen wurden aus über 300'000 Bewerberinnen und Bewerbern für Paris ausgewählt, nur 2700 daraus dürfen im Athletendorf arbeiten. «Dafür waren die Chancen natürlich noch kleiner», erklärt Emran stolz. Sie hat sich im langwierigen Anmeldeprozess, bei dem man unter anderem über 100 Fragen beantworten muss, für diese Position empfohlen.
Neben ihren alltäglichen Aufgaben hat Emran vor allem einen Fokus: Die Pin-Jagd. «Der Austausch von Pins ist ein grosses Ding hier. Es ist wie eine Art Währung», erklärt die Volunteer, die sich für Paris ihren eigenen Pin als Tauschmittel kreiert hat. Erbeutet hat sie mittlerweile über 60. Bei den Paralympics, wo die Amerikanerin ebenfalls im Einsatz stehen wird, will sie ihre Sammlung ausbauen.
Alle sind dabei vs. Ausbeutung
Seit 1948 (London) sind Volunteers, auch die «Hidden Heroes» genannt, das Rückgrat der Olympischen Spiele und unentbehrlich. Gestellt wird den Freiwilligen das ÖV-Ticket, zudem erhalten sie eine komplette Uniform sowie eine Mahlzeit an den Tagen, an denen sie arbeiten.
Ansonsten gibt es – trotz teils grosser persönlicher Ausgaben – keine Entlohnung, zumindest nicht monetärer Art. Gewisse sprechen in diesem Zusammenhang vom romantischen olympischen Grundgedanken, dass alle Teil der Spiele sein dürfen. Andere nennen es vor dem Hintergrund eines Milliarden-Business schlicht Ausbeutung.
Emran ist da pragmatisch: «Für mich ist es einfach eine tolle Erfahrung, deshalb habe ich es gemacht. Zudem geniesst Olympia in den USA ein hohes Ansehen.» Und entlohnt wird sie ihrer Meinung nach reichlich, entsprechend entgegnet sie: «Wie viele Menschen erhalten Einblicke in das olympische Dorf? Das ist unbezahlbar.»