Captain Heinz Günthardt und seine Spielerinnen wollen sich nicht als schlechte Verlierer verstanden fühlen. Und doch stiess dem Schweizer Team nach der 0:2-Niederlage im Fight um den erstmaligen Gewinn der Billie-Jean-King-Trophäe eine Personalie im russischen Team sehr sauer auf.
Knapp 20 Minuten vor Beginn der Final-Begegnung warteten die Gegnerinnen mit einer kurzfristigen Änderung in der Aufstellung auf. Captain Igor Andrejew hatte seine nominelle Nummer 1, Anastasia Pawljutschenkowa (WTA 12), durch Ludmila Samsonowa (WTA 40) ersetzt. Somit konnte die 22-Jährige, eigentlich die Nummer 5 der Equipe, im 2. Einzel gegen Belinda Bencic antreten.
Laut dem Regelwerk, das vom alten Fed-Cup-Format übernommen wurde, wird dieser Schachzug toleriert. Allerdings wurde dadurch der Fairplay-Gedanke mit Füssen getreten. Denn das Pikante: Samsonowa hatte in dieser Saison die Ostschweizerin schon 2 Mal geschlagen – und konnte darum mit einem positiven Gefühl in den Match.
Ich wusste gar nicht, dass man mit so wenig Aufwand die Aufstellung manipulieren und die Nummer 1 durch die Nummer 5 ersetzen kann.
Laut Papierform aber hätte die Weltnummer 40 eigentlich gegen Jil Teichmann antreten sollen, gegen die sie eine 0:2-Bilanz aufweist. «Das scheinen auch die Russinnen gewusst zu haben», meinte Bencic mit einem ironischen Unterton angesprochen auf die Head-to-Head-Statistik. Und Teichmann nannte das Verhalten des russischen Teams schlichtweg «dirty».
Ein fader Beigeschmack
Die Wettbewerbs-Vorschriften besagen, dass die Team-Verantwortlichen eine Stunde vor Beginn der Begegnung die Aufstellung bekanntgeben. Danach kann nur eine Verletzung, die ein unabhängiger Arzt bestätigt, zum Rückzug einer Akteurin führen. In der offiziellen, vom internationalen Tennisverband verschickten Mitteilung hiess es, Pawljutschenkowa sei am Knie verletzt.
Davon wusste zumindest Teamkollegin Daria Kasatkina, die gegen Jil Teichmann mit einem 2:0-Sieg vorgelegt hatte, nichts. Stattdessen verwies sie auf eine «grosse Müdigkeit» bei Russlands Leaderin. Die Spielerin selbst sagte, sie habe sich «nicht fit» gefühlt.
Der Betrugsvorwurf steht im Raum
Günthardt wählte deutliche Worte für das in seinen Augen regelwidrige Manöver. Diese Taktik sei alles andere als smart. Entweder sei es unglücklich gelaufen, sofern sich Pawljutschenkowa effektiv verletzt hätte. «Dann hätten sie grosses Pech gehabt. Oder aber es ist schlichtweg ein Beschiss», enervierte sich der 62-Jährige.
Etwas Ähnliches habe er in seiner Karriere noch nie erlebt. «Ich wusste gar nicht, dass man mit so wenig Aufwand die Aufstellung manipulieren und die Nummer 1 durch die Nummer 5 ersetzen kann.»
Im Video unten äussert sich auch SRF-Expertin Patty Schnyder mit grossem Unverständnis zu Russlands personellem Kniff.