Jannik Sinner nimmt die Rolle als «Aussenseiter» gern an. Zumindest die Herzen der Fans schlagen im 2. Grand-Slam-Final der italienischen Weltnummer 1 für Lokalmatador Taylor Fritz (ATP 12). «Ich bin in Amerika, in New York, und spiele gegen einen Amerikaner. Also wird das Publikum sicher mehr auf seiner Seite sein», prognostizierte der 23-jährige Sinner vor dem finalen Showdown bei den US Open: «Aber das ist normal. Es ist wie wenn ich in Italien spiele.»
Doping-Wirbel
Am Sonntag kann Sinner gegen Fritz, den ersten US-Amerikaner im Endspiel von Flushing Meadows seit Andy Roddick 2006, seiner beeindruckenden wie turbulenten Geschichte in diesem Jahr wieder ein Erfolgskapitel hinzufügen.
Mit seinem überraschenden Triumph bei den Australian Open im Januar war Sinner in den Kreis der ganz Grossen aufgestiegen. Er gilt als eines der Gesichter der neuen Tennis-Generation, doch die Bekanntgabe seines positiven Doping-Tests versetzte die Szene unmittelbar vor dem letzten Major-Turnier des Jahres in Aufruhr.
Im August war publik geworden, dass Sinner im März zweimal positiv auf das verbotene Steroid Clostebol getestet worden war. Er kam nur um eine lange Sperre herum, nachdem er nachvollziehbar darlegen konnte, dass er durch seinen Physiotherapeuten unschuldig kontaminiert worden sei. In New York hatte Sinner sichtlich mit dem Trubel zu kämpfen – und schaffte es letztlich doch ins Endspiel.
Keine Sorgen wegen Handgelenk
Gegen Kumpel und Shootingstar Jack Draper (ATP 25), der ohne Satzverlust in den Halbfinal gestürmt war, sich dort aber mehrfach übergeben musste, brachte den Weltranglisten-Ersten auch ein Sturz nicht aus dem Konzept. Am Ende stand ein 7:5, 7:6 (7:3), 6:2 nach 3:05 Stunden.
Kleine Restsorgen wegen seines linken Handgelenks, auf das er bei seinem Missgeschick im zweiten Satz gefallen war, wischte Sinner beiseite. «Ich bin ganz entspannt, denn wenn es etwas Schlimmes ist, spürt man es gleich ein bisschen mehr», meinte er cool.
US-Durststrecke
Zwischen ihm und seinem nächsten Triumph steht noch Fritz, der im Viertelfinal Alexander Zverev (ATP 4) ausgeschaltet hatte und auch im Fünfsatzmatch gegen Landsmann Frances Tiafoe (ATP 20) die Nerven behielt. «Ich glaube, heute war es viel stressiger, als wenn ich den Final gespielt hätte. Ich fühle mich einfach gut», sagte Fritz nach dem 4:6, 7:5, 4:6, 6:4, 6:1.
Ich habe das Gefühl, dass ich gewinnen werde.
Duelle mit Sinner habe der US-Boy, der im Arthur Ashe Stadium als erster US-amerikanischer Tennisspieler seit Roddick vor 21 Jahren triumphieren könnte, in der Vergangenheit stets genossen: «Ich habe das Gefühl, dass ich wirklich gut spielen und gewinnen werde.» Die Gunst der Zuschauer ist ihm dabei sicher.