Novak Djokovic spricht aus, was Tennisspieler stets in Abrede stellen, die Fans aber nach jeder Auslosung für ein grosses Turnier tun. «Da blickten sicher viele schon voller Vorfreude auf einen möglichen Viertelfinal zwischen Alcaraz und mir», sagte der 24-fache Grand-Slam-Champion nach seinem überzeugenden Sieg im Achtelfinal gegen Jiri Lehecka mit glänzenden Augen. «Und jetzt sind wir da.»
Das Gigantentreffen zu diesem relativ frühen Stadium des Turniers wird möglich, weil Djokovic nach einem für seine Verhältnisse bescheidenen 2024 auf Position 7 der Weltrangliste abgerutscht ist. Die wichtigste Partie des letzten Jahres gewann aber der Serbe – im Olympiafinal von Paris in zwei atemberaubenden Sätzen gegen Carlos Alcaraz (7:6, 7:6).
Der Vergleich mit Rafael Nadal
Der junge Spanier hat die Tenniswelt im Sturm erobert und im Alter von erst 21 Jahren bereits vier Grand-Slam-Titel auf drei verschiedenen Belägen geholt – ganz im Stil seines Landsmanns Rafael Nadal. Und der Vergleich mit seinem langjährigen Rivalen ist für Djokovic keineswegs zu hoch gegriffen. «Was die Intensität und seine Energie auf dem Platz angeht, erinnert mich das an meine Matches gegen Nadal», schwärmt der erfolgreichste Spieler der Geschichte regelrecht. «Es ist genial, ihn spielen zu sehen. Etwas weniger toll, gegen ihn antreten zu müssen.»
Seit dem gewonnenen Olympiafinal führt Djokovic in den direkten Begegnungen wieder mit 4:3-Siegen, doch Alcaraz hat ihn gleich in zwei Finals in Wimbledon, wo Djokovic zuvor sagenhafte sechs Jahre ungeschlagen war, in die Schranken gewiesen. Beide spielen natürlich auch in diesem Jahr in Melbourne um weitere geschichtsträchtige Rekorde.
25. Titel oder Karriere-Grand-Slam
Mit seinen 24 Grand-Slam-Titeln thront Djokovic bei den Männern bereits über allen anderen, doch mit Margaret Court hat eine Frau von 1960 bis 1973 gleich viele grosse Trophäen gewonnen. Seit nunmehr eineinhalb Jahren jagt der Serbe dieses «Viertelhundert» und Alleinstellungsmerkmal.
Alcaraz auf der anderen Seite fehlt nur noch die Krone in Australien, um seinen Karriere-Grand-Slam zu vervollständigen – als jüngster Mann der Geschichte. Zum Vergleich: Djokovic war 29-jährig, als ihm dies gelang, Nadal 24, Roger Federer 27. Aktuell hält den Rekord der US-Amerikaner Don Budge, der 1938 sein Palmarès mit dem Gewinn aller vier Grand Slams im gleichen Jahr komplettierte – im Alter von knapp 23 Jahren.
«Ein weiterer Schritt» sei das auf dem Weg zu neuen Rekorden, rutschte es Carlos Alcaraz nach seinem Achtelfinalsieg heraus. «Aber ich nehme Match für Match», beeilte sich der selbstbewusste, aber nie überhebliche Spanier nachzuschieben. Er gab erst einen Satz ab und machte bisher den überzeugenderen Eindruck als Djokovic, und im Gegensatz zu früheren Jahren dürfte die Perspektive eines langen Kräftemessens über möglicherweise fünf Sätze nicht mehr unbedingt für den sechzehn Jahre älteren Djokovic sprechen.
Fehde mit Fans und Journalisten
Dass er sich in Australien wieder einmal etwas verzettelte und zeitweise eine Fehde mit lauten Fans und einem aus seiner Sicht respektlosen australischen TV-Moderatoren lieferte, muss hingegen kein schlechtes Zeichen sein. Oft zieht Djokovic zusätzliche Motivation aus solchen vermeintlichen Nebenschauplätzen. Es demonstriert auch ebenso wie die Verpflichtung seines langjährigen Rivalen Andy Murray als Coach, dass er nach wie vor siegeshungrig ist.
Im letzten Jahr wurde Djokovic nach 33 Siegen in Folge an den Australian Open im Halbfinal von Jannik Sinner entzaubert. Nun versucht er gegen einen weiteren der jungen und bereits so erfolgreichen Wilden, das Rad der Zeit noch einmal zurückzudrehen.