Im Moment des Triumphs dominierte bei Novak Djokovic die Erleichterung. Nach einem 3:17 Stunden dauernden Final der US Open mit Tennis mit phasenweise unglaublicher Intensität schritt der Serbe erst zum Netz, um Daniil Medwedew zu gratulieren. Dann herzte er seine Tochter Tara. «Sie gibt mir in solchen Momenten immer diese unschuldige Energie der Kindheit», führte Djokovic im Siegerinterview aus.
Neben seiner 6-jährigen Tochter war auch der 3 Jahre ältere Sohn Stefan mit dabei, was für den nunmehr 24-fachen Grand-Slam-Sieger von besonderer Bedeutung war.
Der 4. Finalsieg in New York war nicht nur das Resultat eines formidablen Auftritts auf dem Court des Arthur Ashe Stadium, sondern auch eine mentale Herkulesaufgabe. Im Vorjahr hatte Djokovic wegen der strikten Corona-Auflagen nicht teilnehmen können. 2021 hatte er nach zweimaligem Ausscheiden im Achtelfinal das Endspiel verloren – gegen Medwedew. Er habe versucht, «alle Bilder eines möglichen Sieges oder einer Niederlage zu blockieren».
Es macht mir nichts aus, gegen andere Spieler anzutreten, solange ich gewinne.
Mit Medwedew stellte sich im 4. Grand-Slam-Final der Saison der 4. Gegner dem 36-Jährigen entgegen. Das sei der Unterschied im Vergleich zu früher, als die Final-Kontrahenten mit grosser Wahrscheinlichkeit Federer, Nadal oder Murray hiessen, so Djokovic. «Es macht mir nichts aus, gegen andere Spieler anzutreten, solange ich gewinne», schmunzelte er im Interview.
Kein Ende in Sicht
Was für Ziele hat Djokovic jetzt noch, nachdem er mit 24. Major-Titel mit Rekordhalterin Margaret Court gleichgezogen ist? Eine bestimmte Anzahl an Grand-Slam-Titeln setze er sich nicht als Ziel. «Gelegentlich frage ich mich: Warum brauche ich das alles noch, nach allem, was ich erreicht habe? Wie lange will ich noch weitermachen? Ich habe natürlich diese Fragen in meinem Kopf», meinte der «Djoker».
Und doch darf die Konkurrenz noch längst nicht aufatmen: «Solange ich immer noch auf diesem hohen Niveau spiele und die grössten Turniere gewinne, will ich diesen Sport nicht verlassen, wenn ich immer noch an der Spitze bin.»
Ivanisevics «Drohung»
Sein Trainer Goran Ivanisevic rechnet sogar in 5 Jahren noch mit Djokovic. «Er plant, bei den Olympischen Spielen in Los Angeles zu spielen», sagte der Kroate und lachte dabei. «Wann ist das, 2028? Ihr wisst, was in seinem Kopf los ist. Es geht 24 Stunden darum, etwas zu erreichen.»
Beim unterlegenen Finalgegner Medwedew dominierte freilich die Enttäuschung. Er trauerte primär dem 2. Satz nach, den er nach eigenen Aussagen «dominiert» hatte und siegreich gestalten hätte müssen. «Ich war beim Return etwas stur. Ich hätte wahrscheinlich meine Position ändern müssen», analysierte er seine Position weit hinter der Grundlinie. «Aber ich dachte, dass es so funktionieren würde und dass ich es schaffen würde. Aber als der Satz verloren ging, dachte ich, dass ich zu stur gewesen war.»
Der Final fiel übrigens auf den Hochzeitstag von Medwedew und seiner Frau. Wie schon bei seinem Triumph 2 Jahre zuvor. Doch diesmal konnte er dieses Geschenk nicht wiederholen, was er schmunzelnd im Interview bedauerte. Für seinen Gegner hatte er nur lobende Worte. Neben seinen Qualitäten als Tennisspieler sei Djokovic auch menschlich immer ein Vorbild gewesen – und trotz aller Grand-Slam-Titel geblieben.