Mit einem 5:0-Punktsieg über die Brasilianerin Beatriz Ferreira errang Boxerin Kellie Harrington am letzten Tag der Sommerspiele in Tokio den Olympiasieg im Leichtgewicht. Es ist der bisherige Höhepunkt in der Karriere der 31-jährigen Irin, die 2018 bereits Weltmeisterin geworden war.
Dass sie Boxerin geworden ist, ergab sich fast von selbst, denn Harrington wuchs in der North Inner City von Dublin auf, einem Problemviertel der irischen Hauptstadt. «An jeder zweiten Strassenecke gibt es einen Boxklub, und in jeder Familie gibt es jemanden, der boxt», sagte sie einst.
Boxklub statt Gefängnis
Als Jugendliche fürchtete Harrington, dereinst im Gefängnis zu landen. Sie habe eine Herausforderung gebraucht. Boxen war die billige Lösung. Segeln, Gaelic Football oder Pferdesport hätte sich ihre Familie nicht leisten können. «Boxen hat mein Leben verändert.»
Neben dem Boxen wartete der Berufsalltag. Seit 10 Jahren arbeitet Harrington als Reinigungskraft in einer psychiatrischen Klinik. «Die Arbeit selbst ist nicht grossartig», gibt sie zu. «Aber die Kontakte mit den Patienten geben mir viel. Es gefällt mir, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.»
Das Quartier hält zusammen
Was ändert sich mit dem Olympiasieg? «Ich gehe zurück zur Arbeit, denn das ist es, was ich bin und wie ich ticke.» Man brauche einen Halt ausserhalb des Boxsports, denn: «Es gibt mehr im Leben als Sport, denn im Sport kann alles passieren und ich brauche ein Auffangnetz.»
Harringtons Netz ist die Arbeit im St Vincent's Hospital. Und natürlich ihre Lebenspartnerin Mandy Loughlin, eine ehemalige Boxerin und heutige Trainerin. Und das Viertel um die Portland Row, wo der Gold-Kampf auf Grossleinwand übertragen wurde. Denn, wie ihr Bruder Joel sagte: «Das ist ein Sieg für die Gemeinschaft. Denn Kellie boxt nicht für Kellie, sie boxt für uns.»