Christoph Schmid, einst Trainer von 800-Meter-Weltmeister André Bucher und vielen anderen Spitzenathleten, hat’s schon immer vermutet: Wer im Kindesalter zu den besten einer Sportart gehört, gewinnt später kaum eine Medaille an einem Grossanlass in genau dieser Disziplin. Nun hat Schmid seine Vermutung wissenschaftlich untermauert.
Fast alle Medaillengewinner hatten eine polysportive Kindheit
Im Auftrag von graubündenSport hat er eine Umfrage bei allen Schweizer Medaillengewinnern an einem Grossanlass in allen olympischen Sportarten seit dem Jahr 2000 gemacht. Er wollte wissen, wie diese Athleten in ihrer Jugend trainiert haben. Das Ergebnis ist beeindruckend: Von allen Antwortenden war nur einer vor seinem 12. Lebensjahr ausschliesslich in seiner Sportart unterwegs, alle anderen hatten eine polysportive Kindheit.
Je mehr verschiedene Bewegungen man als Kind lernt, umso besser ist man später in der Lage spezifische Bewegungen zu lernen
«Je mehr verschiedene Bewegungen man als Kind lernt, umso besser ist man später in der Lage spezifische Bewegungen zu lernen», erklärt Schmid seinen Befund. «Nicht zu unterschätzen ist auch die mentale Komponente: Wenn man immer das Gleiche macht, und schon sehr früh nur auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet trainiert, stumpft man ab.»
Wir versuchen Synergien zu nutzen und Talenttransfers unter den Verbänden möglich zu machen
Die Untersuchung von graubündenSport untermauert einen bekannten Ansatz: Polysportivität in der Kindheit ist wichtig. Das weiss auch Ralph Stöckli von Swiss Olympic: «Wenn ein Talent Fussball spielt, heisst es nicht, dass es in dieser Sportart bleibt. Wir versuchen Synergien zu nutzen und Talenttransfers unter den Verbänden möglich zu machen und versuchen, möglichst spät zu selektionieren. Zudem wollen wir eine Selektion machen, die nicht nur auf den aktuellen Wettkampfresultaten beruht, sondern auch eine Prognose über die Zukunft zulässt.»
Wie kann man Potenzial messen?
Ideal wäre also, wenn in den Nachwuchskadern nicht die aktuell besten Athleten und Athletinnen, sondern diejenigen mit dem meisten Potenzial vertreten sind. Doch wie misst man dieses? Darauf kennt auch die Wissenschaft noch keine allgemeingültige Antwort. Klar aber ist: Vereine und Verbände tun gut daran, mit den Jüngsten polysportiv zu arbeiten. Denn das haben grosse Namen wie Nino Schurter, Andri Ragettli oder Laurien van der Graaff auch getan.