Einsam und abgelegen zuhinterst im Walliser Binntal liegt auf fast 2400 Meter über Meer die Mittlenberghütte. Die einfache und kleine Unterkunft ist im Winter das Zuhause von Caroline Beley. Drei Monate verbringt sie hier als Hüttenwartin. Ganz allein, mit wenig Komfort, im tiefsten Schnee.
Knochenjob Hüttenwartin
Mitte Februar. Zusammen mit einer grossen Kiste Äpfel, Säcken von Kartoffeln und ein paar Dutzend Eiern auf den Knien fliegt Caroline Beley per Helikopter auf die Walliser Mittlenberghütte. Die Vorfreude bei der 58-Jährigen ist gross: «Wenn ich da rauf fliege, ist das für mich wie ein Befreiungsschlag. Ich komme nach Hause, in meine Hütte.»
Eine Hüttenwartin, die so komplett auf sich allein gestellt ist – das sind schon spezielle Leute.
Der Job auf 2400 Meter über Meer ist hart. Als erste Amtshandlung klettert Caroline aufs Dach der Hütte, um den Schnee von den Solarpanels zu schaufeln. «Ich bin ein bisschen Kamikaze», lacht sie dabei, «aber mir darf nichts passieren». Caroline betreibt die abgelegene Hütte ganz allein. Sollte ihr etwas zustossen, wäre keine Hilfe da.
Bei schlechtem Wetter kommt manchmal tagelang niemand vorbei. «Eine Hüttenwartin, die so komplett auf sich allein gestellt ist – das sind schon spezielle Leute. Hier ist man ein Einzelkämpfer», sagt Roger Mathieu, dem die Mittlenberghütte gehört und der froh ist, dass er jedes Jahr auf Caroline zählen kann.
Wasser schmelzen und Toiletten leeren
Die Solarpanels sind freigeschaufelt. Zusammen mit einem kleinen Windrad liefern sie den nötigen Strom. Spielt das Wetter nicht mit, läuft nichts. Staubsaugen geht nur ab und zu. Und dann muss es jeweils zackig gehen. «Strom oder Wasser – hier oben ist alles wertvoll», sagt Caroline.
Der Brunnen ist im Winter gefroren. Das gesamte Wasser für die Hütte, die 18 Gäste beherbergen kann, ist Schmelzwasser. Caroline stellt eine Pfanne unter die Dachrinne, fängt geschmolzenen Schnee auf und kocht ihn ab. 80 bis 100 Liter pro Tag braucht sie, wenn die Hütte voll ist.
Eine Dusche gibt es nicht. Caroline wäscht sich mit einem Kessel und einem Waschlappen. «Das geht tiptop. Ich denke, ich stinke nicht.»
Dafür mieft es an einem anderen Ort. Weil die Mittlenberghütte nicht an die Kanalisation angeschlossen ist, muss Caroline die Toilette regelmässig leeren. Dann stampft sie mit dem vollen WC-Kübel einige Meter durch den Schnee den Berg hinauf und kippt ihn dort in einen grösseren Sammelbehälter.
Eingeschneit – und ganz allein
Zwar kommen regelmässig Tourengänger bei der Mittlenberghütte vorbei, doch manchmal sieht Caroline mehrere Tage keine Menschen.
Man muss versuchen, mit sich selbst im Reinen zu sein. Sonst ist es nicht immer einfach.
Über Ostern versinkt die Hütte im Schnee. Eine ganze Woche schneit es so stark, dass nur noch das Dach der Hütte sichtbar ist. Die Türe klemmt, die Fenster sind blockiert, Tageslicht gibt es drinnen praktisch nicht mehr. Caroline ist mutterseelenallein. Erst nach acht Tagen tauchen wieder Gäste auf, die beim Schneeschaufeln anpacken können.
Eigentlich sei sie nicht allein, sagt Caroline. Dohlen, Adler, Füchse und Adler seien immer hier. Auch wenn das Wetter schlecht ist. Trotzdem: «Hier oben ist es eng. Man muss versuchen, mit sich selbst im Reinen zu sein, sonst ist es nicht immer einfach.»
Dafür ist es draussen umso prächtiger. Caroline jauchzt in die Bergwelt hinaus: «Manchmal muss man einfach schreien, weil die ganze geballte Energie raus muss.»
Ein Purzelbaum im frischen Schnee und dann kommt auch noch die Sonne raus. Für Caroline das Paradies. «Es gibt nichts Besseres. Das macht alles wieder gut, was man vorher vielleicht gelitten hat.»