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Streaming-Tipp Demokratie kann gehackt werden: Ungarn macht's vor

Ungarns Staatschef untergräbt die Demokratie trotz freier Wahlen. Ein Dokumentarfilm entlarvt Viktor Orbáns Methoden.

«Der Diktator kommt – Willkommen, Diktator!» grinst Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission und begrüsst Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán mit einem jovialen Klapps.

Was spassig wirken soll, hat einen ernsten Hintergrund. Das zeigen Orbáns Worte, als er 2022 zum fünften Mal als Sieger aus Ungarns Wahlen hervorgeht: «Jetzt gilt es, all unsere Feinde zu bekämpfen:»

  • Weltweite Linke
  • Bürokraten in Brüssel
  • Internationale Medien
  • Ukrainischer Präsident
  • Orbáns Fazit seiner Aufzählung: «So viele Gegner aufs Mal hatten wir noch nie.»

Stimmenfang mit Feindbildern

Tímea Szabó, Oppositionelle in Ungarns Parlament, benennt die Strategie von Orbáns Partei Fidesz: «Sie suchen sich einen Feind und schüren dann Hass – der einfachste Weg zu mehr Stimmen.»

Ungarn: Demokratie auf der Kippe

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Viktor Orbán nutzt freie Wahlen, um die Demokratie Ungarns zu untergraben. Drei mutige Frauen – eine Politikerin, eine Journalistin und eine Aktivistin – sind entschlossen, Korruption aufzudecken und für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen. Der Film «Ungarn: Demokratie auf der Kippe» kann auf Play SRF gestreamt werden.

So geisselt Orbán die «aggressive LGBQ-Propaganda» und findet: «Ein Vater ist ein Mann, und eine Mutter ist eine Frau.» Die präsidiale Haltung widerspiegelt sich an der Budapest Pride. Zaungäste brüllen: «Ihr seid Schwuchteln!»

Die lesbische Journalistin Babett Oroszi seufzt: «Wir sind im 18. Jahrhundert.» Beruflich deckt sie Machtmissbrauch und Korruption auf. Privat hat sie Angst, sich öffentlich mit ihrer Partnerin zu zeigen.

«Heilmittel liegt in Ungarn»

Ihre Angst ist begründet. 2022 erklärt Orbán: «Niemand muss mehr nach einem Heilmittel gegen das fortschreitende Woke-Virus suchen – es liegt in Ungarn.»

Blaupause für Autokratie

Sein moderner Autoritarismus bringt Orbán weltweit Bewunderung von extremen Rechten ein und ist eine Blaupause für autokratische Führer.

Orbáns Methode geht über Feindbilder und Denunziation hinaus. Als er 2010 gewählt wird, ändert er die Verfassung.

Alle Hebel der Macht besetzt

Wahlgesetz und Wahlbezirke werden geändert – um mehr Stimmen zu holen. Und Regierungsaufträge gehen stets an Günstlinge. Auch die Medien gehören fast komplett Orbán nahestehenden Leuten.

Der Regierungschef muss daher keinerlei Widerspruch erwarten, wenn er erklärt: «Kluge Köpfe befassen sich heute mit Systemen, die nicht unbedingt westlich und liberal sind, wahrscheinlich nicht mal demokratisch. Aber auch so können Nationen erfolgreich sein.»

Kühl berechnende Expertise

Sogar Aktivistin Niko Antal findet: «So sehr ich Fidesz auch hasse – sie haben gute Experten.» Und deren Expertise verschafft Vorteile: «Die Opposition kennt die Wähler nicht – deshalb unterstützen fast 3 Mio. Wählende das System Orbán.»

Berechnend ist auch Orbáns Förderung des ländlichen Raums. Gern behauptet er: «Ich bin nicht Teil der Elite, ich komme aus einem kleinen Dorf.» Im Widerspruch zur zelebrierten Einfachheit steht der mit EU-Geldern gebaute Landsitz seines Vaters.

Doch jetzt ist die Geduld der EU wohl zu Ende. Im Januar 2025 hat Ungarn wegen Verstössen gegen die Rechtsstaatlichkeit EU-Gelder in Milliardenhöhe verloren.

Diese Massnahme ist nach harten Jahren als Oppositionelle für Tímea Szabó wie ein Silberstreifen am Horizont: «Unsere einzige Hoffnung besteht darin, dass die EU endlich handelt, weil sie den Ernst der Lage in Ungarn erkennt. Zwölf Jahre ist sie untätig geblieben und hat Gelder fliessen lassen, wohl wissend, dass der Löwenanteil an die Fidesz ging.»

SRF info, 7.2.2025, 14:15 Uhr

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