Schweizer Lehrpersonen sind oft am Anschlag – im Clinch mit einer Schülerschaft, die sie verhöhnt und mit Eltern, die ihnen abends spät aufgebrachte Messages mit vielen Ausrufezeichen schicken. Fragen kommen auf:
- Warum können sich Lehrer oft nicht mehr durchsetzen?
- Warum nimmt die Gewalt zu – gerade auch zwischen Schülern?
- Sind Autorität und Gehorsam als Methoden passé?
- Oder mangelt es einfach vielen Kindern an Respekt?
Es gibt verschiedene Ansätze, um konstruktiv auf Konflikte reagieren, die den Schulalltag unterwandern.
Zum Beispiel Integration ...
Bei Problemkindern strebte man früher oft Klassenwechsel oder den Übertritt in eine Sonderschule an. Heute versucht man, möglichst alle Kinder in der Regelschule zu halten. Dort werden sie von Heilpädagogen und Assistenzpersonal unterstützt.
... oder auch Prävention
Um Gewalt vorzubeugen, werden in Uerkheim (AG) spielerische Formen gegen Gewalt trainiert. Die dortige Lehrerin Irene Schild findet das in mehrerlei Hinsicht gut: «Schule, das bedeutet ansonsten häufig zu viel Reden und zu wenig Handeln.»
Sozialtherapeut Thomas Richter warnt aber: «Mit unterstützenden Massnahmen dürfen Schulen nicht übertreiben, sonst ‹verabschieden› sich Lehrpersonen und lassen sich von Therapeuten kompensieren.»
Auslaufmodell «Macht»
Früher wurde schulische Autorität vor allem über Macht ausgeübt. So folgten Lehrpersonen im Unterricht in etwa solchen Glaubenssätzen:
- Nähe = Distanzverlust = Autoritätsverlust
- Konflikte = eine Frage von Gewinnen oder Verlieren
- Fehlverhalten = erfordert nicht Wiedergutmachung, sondern Vergeltung
Patrik Bernhard, als Komponist des Hits «Ewigi Liäbi» bekannt und seit drei Jahren Schulleiter in Goldau (SZ), verwies sein Lehrpersonal bei Problemfällen anfänglich meist auf die disziplinarischen Massnahmen, die ihnen zur Verfügung standen. Aber: «Das war nie befriedigend.»
Das änderte sich, als Bernhard auf das Konzept der «Neuen Autorität» stiess. Dessen Merkmale sind: hohe Präsenz der Lehrperson, nahe am Kind dran sein und echtes Interesse zeigen, ausserdem Anleitungen geben, Gelungenes loben – und klare Ansagen bei Fehlverhalten machen.
Gewaltloser Widerstand
Bernhard schwärmt von der «Neuen Autorität»: «Jeder versteht sofort, worum es geht.» Der erste Schritt seiner Schule war, Autorität als gemeinsames Thema zu begreifen. Niemand im Schulzimmer sollte sich mehr ohnmächtig und allein fühlen.
Massgeblich an der Entwicklung der «Neue Autorität» beteiligt war der israelische Psychologe Haim Omer entwickelt. Er führt aus: «Autorität hat etwas mit Widerstand zu tun. Und dieser Widerstand wird durch Präsenz ausgeführt, getreu dem Motto: Ich bin da – und ich bleibe da.»
«Neue Autorität» ist vor allem ein Haltungskonzept. Im ständigen Austausch miteinander klären die Verantwortlichen, wie sie mit einer schwierigen Situation umgehen. Der völlige Verzicht auf Gewalt und Beschämung ist dabei unabdingbar.
Neu an «Neuer Autorität» ist auch, dass sie auf Erwachsene zielt. Sie müssen sich selbst kontrollieren lernen, nicht die Kinder. Damit wird verhindert, dass es zur Eskalation kommt.