Die zwei Touristen sehen leicht überwältigt aus, als sie am Flughafen Zürich dem SRF-Kamerateam und den beiden Landfrauen Lydia Barmettler und Regula Schmid gegenüberstehen. Kein Wunder. Gayatri und Bhagwati Devi sind soeben zum ersten Mal in ihrem Leben in einem Flugzeug gereist. Sie sind seit über 24 Stunden unterwegs. Und sie haben zum ersten Mal ihr eigenes Land verlassen.
Vom Himalaya nach Kägiswil
Vom hektischen Flughafen geht es direkt in die Innerschweiz, auf einen Bauernhof im obwaldnerischen Kägiswil. Für die Frauen aus dem Norden Indiens könnte der Kulturschock kaum grösser sein. «Das sind die Herdplatten. Mit Touchscreen», muss Lydia erstmal die schweizerische Küche erklären. Gayatri und Bhagwati kochen zu Hause über offenem Feuer.
So etwas habe ich noch nie gesehen. Es ist eine neue Welt mit viel Maschinen. Bei uns ist alles Handarbeit.
Ihr Hof liegt auf 2000 Meter über Meer am Fuss des Himalayas. Eine einzige Kuh versorgt das ganze Dorf mit Milch. Entsprechend «geflasht» sind die beiden Frauen von den vielen Tieren und der imposanten Melk-Technik in einem Schweizer Stall. «So etwas habe ich noch nie gesehen. Es gefällt mir sehr gut», lautet das Fazit auf Hindi.
Englisch spricht niemand. Die Kommunikation zwischen den indischen Gästen und der Schweizer Gastgeberfamilie funktioniert mit Händen und Füssen.
Schnelle Schlitten und viel Mist
Gayatri und Bhagwati besuchen die Schweiz im Winter. Die wunderschönen, frisch verschneiten Landschaften verzaubern Gäste und Einheimische gleichermassen. Also, ab auf die Schlitten! «Kennt ihr das?», fragt Regula. Und macht es gleich vor: «Schaut. So. Sitzen.»
Um etwas Neues zu lernen, muss man sich auch mal überwinden.
Einen Schlitten sehen Gayatri und Bhagwati zum ersten Mal in ihrem Leben. «Um etwas Neues zu lernen, muss man sich auch mal überwinden», sagt Bhagwati mutig.
Dasselbe dürften sich die Schweizer Landfrauen Lydia und Regula gesagt haben, als sie vor zwei Jahren die umgekehrte Reise auf sich nahmen und den Hof von Bhagwati und Gayatri in Indien besuchten. Gemistet wird dort von Hand. Ja, einfach so: «Wir nehmen den Mist mit den Händen zusammen und transportieren ihn auf dem Kopf.» In einem Topf, natürlich.
Die Krux mit dem Essen
In der Schweiz steht noch ein Besuch der Stadt Luzern an. Es sei so sauber, viel weniger chaotisch als in Indien, und das Wasser so klar, schwärmt Gayatri. Sie zeigt erstaunt auf einen weissen Schwan: «Eine so grosse Ente habe ich noch nie gesehen!»
Und dann kommen die Gäste stark an ihre Grenzen. Es gibt Fondue. Während einer Stadtfahrt auf dem TukTuk. Viel mehr als zwei, drei Gabeln liegt für Gayatri nicht drin: «Ich fühlte mich wirklich schlecht. Den Käse vertrage ich überhaupt nicht.»
Fondue, Älpler Magronen, Rösti. Natürlich wollen Lydia und Regula ihren Gästen die hiesigen Spezialitäten schmackhaft machen. Nur: Die schweizerische Küche und die indischen Mägen freunden sich schlecht an.
«Ich habe versucht, Dinge zu kochen, die sie auch essen. Vegetarisch und vegan. Ich dachte, das sei kein Problem. Aber sie haben nur ein bisschen probiert», erzählt Regula etwas enttäuscht. Immerhin kommt die Bündner Spezialität Maluns gut an. Trotz anfänglich etwas skeptischem Blick.
Gastronomische Herausforderungen und Sprachbarrieren hin oder her: Beim Abschied am Ende der Woche fliessen Tränen. Die vier Frauen verbindet eine spezielle Freundschaft. Sie haben sich auf eine einmalige Entdeckungsreise gewagt und menschliche Gemeinsamkeiten gefunden, die sie über Grenzen, Kontinente und Kulturen hinweg verbinden.