Es sind zwei sehr unterschiedliche Frauen, die sich an einem Vorbereitungskurs für die eidgenössische Maturität kennenlernen: Hermine Raths wird 1906 in Wetzikon in eine mittelständische Drogisten-Familie geboren; Marguerite Steiger, wenige Jahre jünger, kommt aus gutem Haus und besucht Privatschulen. Aber beide wollen sie an die ETH Zürich.
«Die beiden Frauen haben sich sofort zueinander hingezogen gefühlt», sagt der Historiker Martin Schmid, der eine Biographie über sie geschrieben hat, «sie sind auch früh zusammengezogen und haben anschliessend bis zum Lebensende im gleichen Haushalt gewohnt.»
Forschen mit Nobelpreisträgern
Marguerite Steiger erbt als junge Frau ein ansehnliches Vermögen. Damit wagen die beiden ledigen Studentinnen einen Schritt, der für die damalige Zeit aussergewöhnlich ist: Sie kaufen eine eigene Apotheke. Nicht irgendeine, sondern die älteste der Stadt Zürich: die Elefanten-Apotheke an der Marktgasse 6, die schon anno 1575 erwähnt wurde.
Parallel doktorieren sie an der ETH: Hermine Raths in Pharmazie, Marguerite Steiger als eine der wenigen Frauen in Chemie – bei gleich zwei späteren Nobelpreisträgern, Leopold Ruzicka und Tadeus Reichstein.
1937: Die eigene Firma
Tadeus Reichstein ist es auch, der die beiden Forscherinnen im Winter 1936 in Kontakt mit der Pharmafirma Organon aus Holland bringt, die hauptsächlich Hormonprodukte wie Insulin herstellt.
Man trifft sich in den Davoser Bergen. Hermine Raths notierte: «Mit ihnen genossen wir im Winter die herrliche Berglandschaft unseres Landes. Es gab auch schon damals ein Après-Ski und sogar ein Thé dansant. Da man ja nicht nur von den Bergen sprechen konnte, kam auch bald einmal Organon zur Sprache.»
Die beiden Frauen beschliessen, den Vertrieb der Organon-Produkte in der Schweiz zu übernehmen und gründen dazu eine eigene Firma – die Opopharma, deren Nachfolgerin es noch heute gibt.
Von Babypuder bis Konservierungsmittel
Schon bald bringt der Zweite Weltkrieg das Geschäft zum Erliegen. Doch Marguerite Steiger und Hermine Raths gelingt es kurz nach Kriegsende, wieder mit Organon ins Geschäft zu kommen. Und nicht nur das: Opopharma spannt mit vielen weiteren Pharmafirmen zusammen.
Es folgen goldene Jahre. Die Firma beginnt zu expandieren und verkauft nun auch Futtermittelzusätze, Insektizide, Konservierungsmittel, Verhütungsmittel, Psychopharmaka, Babypuder, Medizinaltechnik, Kontaktlinsen und vieles mehr.
Ein Leben fürs Geschäft
Auch wenn es der Opopharma ab den 1970er-Jahren immer schlechter geht: Es bleibt ein erstaunliches Lebenswerk von zwei eigensinnigen Frauen. «Das Faszinierende an beiden Frauen ist, dass sie sich in einer Zeit, in der für Frauen in Wissenschaft und Business noch nicht so viel Platz war, bereits durchsetzen», sagt Historiker Martin Schmid.
Hermine Raths und Margerite Steiger bleiben bis zu ihrem Tod im Geschäft. Ihr Vermögen geht an eine gemeinnützige Stiftung, die Forschungsprojekte mit Schweizbezug in Naturwissenschaft und Pharmazie unterstützt.