Es war Mitternacht, als in Doha im Wüstenstaat Katar der Startschuss zum Frauenmarathon fiel – bei 32,7 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 73,3 Prozent. Die Kenianerin Ruth Chepngetich erreichte nach 2:32:43 Stunden als Erste das Ziel.
Es war die langsamste Siegeszeit der WM-Geschichte. Nur 40 der 68 gestarteten Teilnehmerinnen beendeten das Rennen. Die übrigen mussten wegen Überhitzung aufgeben.
Katar – zu heiss für Wettkämpfe
In Katar ist es – objektiv gesehen – zu heiss für Leichtathletik-Wettkämpfe. «Die Vernunft spielt bei der Vergabe von Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften kaum eine Rolle», sagt Viktor Röthlin, der ehemalige Schweizer Marathonläufer und Europameister von 2010. Als Sportler könne man den Wettkämpfen entweder fernbleiben, «oder man muss einen Weg finden, irgendwie mit dieser Hitze umzugehen.»
Ab 40 Grad wird es kritisch
Während eines Rennens heisst dies im Wesentlichen: genügend trinken und ausreichend schwitzen, denn Schwitzen hilft, den Körper kühl zu halten. Das Zauberwort für Spitzensportler lautet «Körperkerntemperatur». Diese liegt normal bei 37 Grad, bei Anstrengungen steigt sie rasch an.
Ab 40 Grad wird es kritisch: Der Körper fährt den Stoffwechsel herunter und drosselt die Sauerstoffzufuhr zu den Organen, um nicht noch mehr zu überhitzen. Dadurch wird auch das Gehirn weniger durchblutet. Im Extremfall kommt es zum Kollaps.
Hitzepillen messen die Körpertemperatur
Deshalb versuchen Spitzensportler vor einem Rennen, die Körperkerntemperatur mit einem sogenannten Pre-Cooling zu senken. «Zum Beispiel mit Eiswesten und eisgekühlten Getränken, oder indem man sich in ein Eisbad legt und die Beinmuskulatur gezielt herunterkühlt», erklärt Patrik Noack, Chefarzt von Swiss Olympic.
Forscher der Eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen haben gemeinsam mit Swiss Olympic dieses Pre-Cooling optimiert, dabei haben sie auch sogenannte Hitzepillen angewendet: «Das sind mit einem Mikrochip versehene Hightech-Tabletten, die die Athleten schlucken und eine Zeitlang im Darm behalten», so Patrik Noack. Anschliessend könne man den Temperaturverlauf analysieren.
Mittlerweile gibt es Hitzepillen, die mit einem Mikro-Sender ausgestattet sind und die es erlauben, die Körperkerntemperatur telemetrisch zu beobachten. Der Vorteil dabei: «Wir können so den Effekt der Kühlmassnahmen in Echtzeit studieren.»
Kann eine Hightech-Pille Hitzeschläge verhindern?
Auch in Doha kommt eine Hitzepille für die Forschung zum Einsatz. Athletinnen und Athleten können sich freiwillig melden, als Gegenleistung bekommen sie nachher die eigenen Daten und – anonym – diejenigen ihrer Gegner. Das Ziel der Studie ist, mehr Wissen zu gewinnen, wie der menschliche Körper unter Extrembedingungen reagiert.
Kann eine Hightech-Pille auch Hitzeschläge verhindern? Werden die so überwachten Athleten vorzeitig gestoppt, wenn sie zu kollabieren drohen? Das dann doch nicht, sagt Patrik Noack: «Das ist immer noch dem Athleten selbst überlassen.» Fazit: Die Sportmedizin hilft Spitzenathletinnen und -athleten, sich an extreme Bedingungen anzupassen. Aber sie kann sie nicht davor bewahren, die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen.