Schon in der kleinen Schweiz sind die medizinischen Unterschiede von Sprachregion zu Sprachregion augenfällig. Die italienischsprachigen Schweizer fühlen sich prinzipiell gesünder als Deutsch- oder Französischsprachige, obwohl sie sich weniger bewegen als ihre «Compatrioti». Im französischsprachigen Teil der Schweiz gehen beispielsweise mehr Leute wegen Niedergeschlagenheit oder depressiven Verstimmungen zum Arzt als im Rest der Schweiz.
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Im Ländervergleich spricht der Medikamentenverbrauch eine klare Sprache. «Je nachdem, wie wir die Gesundheit als kulturellen Begriff verstehen, therapieren wir auch Krankheiten unterschiedlich», sagt Fabian Vaucher, Apotheker und Präsident des Apothekerverbandes «pharmaSuisse».
Einige Länderbeispiele:
- In Deutschland werden sechsmal mehr Herzmedikamente geschluckt als in der Schweiz, weil in Deutschland das Herz eine sehr viel grössere Rolle spielt als bei uns. Wir kennen die Reklame «Doppelherz – die Kraft der zwei Herzen».
- In Frankreich hingegen ist die Leber ein sehr wichtiges Organ. Deshalb sind die Medikamente in Frankreich besonders leberschonend.
- In Italien und anderen südlichen Ländern werden mehr Zäpfchen gebraucht als bei uns. Im Vergleich zu Tabletten zum Schlucken schonen Zäpfchen den Magen. Denn der Magen ist für das Essen reserviert.
- In England werden weniger Psychopharmaka verkauft. Wer bei uns psychologisch therapiert wird, hat in England lediglich einen «spleen» und darf etwas «anders» sein.
Diese unterschiedlichen Definitionen von Krankheit und Gesundheit führen hin und wieder zu sonderbaren Situationen: «Es gibt da dieses Bild einer schwarzen Frau in Afrika, welche die Antibabypillen als Schutz gegen ungewollte Kinder fein säuberlich aneinandergereiht als Halskette trägt», führt Fabian Vaucher aus. «In ihrer Kultur ist das Amulett, der Talisman wichtig als Heilsbringer. Wir verstehen das nicht und bringen Tabletten dorthin, weil unser Krankheitsverständnis ein ganz anderes ist.»