Unbestritten ist: Wer zu wenig Eisen im Blut hat, leidet häufig unter Müdigkeit und Erschöpfung. Extremer Eisenmangel kann ausserdem zu Blutarmut führen. Klar ist auch: Schwerer Eisenmangel muss behandelt werden.
Doch wer von einer Behandlung profitiert und wie diese Behandlung auszusehen hat, daran scheiden sich die Geister. Eigentlich gilt, dass fehlendes Eisen wenn immer möglich in Tabletten-Form eingenommen werden soll. So steht es in medizinischen Leitlinien und sogar im Beipackzettel der Infusions-Präparate.
Umso überraschter sind Ärzte nun über den kürzlich veröffentlichten Bericht des Swiss Medical Board. Denn dieses Experten-Gremium empfiehlt in erster Linie die Infusions-Therapie. Diese sei zwar teurer, wirke aber schneller als Tabletten.
«Ärgerlich» sei diese Empfehlung, sagt Felix Huber, Allgemeinmediziner und Leiter des Ärztenetzes medix Zürich. «Wir ändern unsere Praxis deswegen sicherlich nicht.» Infusionen verschreibt Huber nur dann, wenn die Eisen-Tabletten nicht wirken oder vom Patienten nicht vertragen werden – etwa weil sie zu Verstopfung führen.
Mediziner Huber hält mit gutem Grund an seiner Praxis fest: Denn wird dem Körper das Eisen in grossen Dosen mittels einer Infusion direkt ins Blut verabreicht, kann das zu einem gefährlichen allergischen Schock führen.
Das geschieht zwar selten, doch in der Schweiz hat dies in den letzten fünf Jahren zu zwei Todesfällen geführt. Das zeigen Daten der Arzneimittelbehörde Swissmedic, die vor einem Jahr veröffentlicht wurden.
Eines von drei Infusionspräparaten musste daraufhin vom Markt genommen werden, ein anderes jedoch, das ebenfalls für einen Todesfall verantwortlich war, wird noch verkauft – und erfreut sich sogar grosser Beliebtheit. Es heisst «Ferinject» und der Hersteller, die Schweizer Firma Vifor Pharma, darf sich über jährlich steigende Umsatzzahlen freuen.
Angesprochen auf die Todesfälle, reagiert das Swiss Medical Board kleinlaut: «Wir hatten von den Todesfällen keine Kenntnis», sagt Urs Metzger vom Expertenrat. Und verspricht: Der Bericht werde in den nächsten Wochen nachgebessert.
Ferritin-Wert alleine nicht entscheidend
Tatsächlich tut ein kritischer Bericht zur Therapie des Eisenmangels Not, denn heute erhalten in der Schweiz vermutlich zu viele Patienten Infusionen. Bei den Krankenkassen haben sich die Kosten innert weniger Jahre verdreifacht.
Wichtig sei, sagt der Zürcher Gynäkologe Christian Breymann, dass Patienten nicht alleine wegen eines tiefen Laborwerts – des so genannten Ferritin-Werts – behandelt würden. «Nicht jeder, der einen tiefen Ferritin-Wert hat, muss behandelt werden», sagt der Eisen-Experte. «Es braucht immer die Kombination von Leidensdruck und Laborwert.» Das steht so auch im Bericht des Swiss Medical Board.
Dabei gilt: Je tiefer der Ferritin-Wert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Müdigkeit tatsächlich von einem Eisenmangel herrührt. «Es gibt keine klaren Grenzwerte für das Ferritin», sagt Pierre-Alexandre Krayenbühl, Chefarzt am Spital Linth und Experte für den Eisenstoffwechsel.
In der Praxis handhaben die Ärzte den Ferritin-Wert daher unterschiedlich: Einige behandeln nur Patienten mit einem Ferritin unter 15 Nanogramm pro Milliliter, andere hingegen auch müde Patienten mit einem Ferritin-Wert um 20, 30 oder mehr. Wer sich hier vom Bericht des Swiss-Medical Board mehr Klarheit erhofft, wird enttäuscht. Auf die Frage des «richtigen» Ferritin-Werts wird nicht eingangen.
Eisenquelle Ernährung
Völlig vergessen im «Eisen-Streit» geht die Frage nach der Ursache des verbreiteten Eisenmangels. Meistens sind Frauen davon betroffen, doch Schuld daran ist nicht alleine die Menstruation, durch die Blut und damit Eisen verloren geht.
«Die meisten Frauen essen zu wenig eisenhaltige Nahrung», sagt Mediziner Krayenbühl. Eine Studie aus Frankreich zeigt, dass Frauen im Menstruationsalter pro Tag im Schnitt drei Milligramm Eisen zu wenig zu sich nehmen – so viel Eisen wie ein mittelgrosses Stück Rindfleisch enthält – oder 100 Gramm Nüsslisalat. Vielleicht wäre eine Ernährungsberatung also sinnvoller als eine Eisen-Therapie.