Heute weiss man, dass das Nervengewebe rund um die Nierenarterien den Blutdruck entscheidend beeinflusst. Zu starke Aktivität erhöht den Blutdruck. Um dies operativ zu behandeln führen Gefässspezialisten gleich wie bei der Herzkatheter-Methode einen Katheter in die Leistenarterie ein. Statt zum Herzen lenken sie diesen in die rechte und linke Nierenarterie. Anschliessend führen sie eine Hitzesonde durch den Katheter. Diese wird schliesslich an die Gefässwand der Nierenarterie gedrückt und hochfrequenter Strom wird eingeleitet.
Pro Seite wird das Nervengewebe an fünf verschiedenen Stellen jeweils zwei Minuten lang auf über 60 Grad erhitzt. Das genügt, um die Aktivität des Nervengewebes rund um die Nierenarterien zu unterbinden. Der einmalige Eingriff dauert rund 60 Minuten. Die Patienten bekommen vorher eine lokale Betäubung und ein Schmerzmittel.
Erfolg nach mehreren Wochen spürbar
Ein Ergebnis ist nicht gleich nach der Zerstörung des Nervengewebes, der so genannten renalen Denervation zu messen. Der Patient muss zunächst seine Medikamente weiter einnehmen. Erst in den folgenden Wochen wird sich der Blutdruck langsam absenken. Gemäss aktuellen Studien sank der Blutdruck bei 84 Prozent der Testpersonen zwischen 10 und 30 mmHg. Nach gut sechs Monaten hat sich der Blutdruck in der Regel in einem regulierbaren Bereich eingependelt.
Ziel des Verfahrens sei es, den Blutdruck nachhaltig zu senken und gleichzeitig die Einnahme von Medikamenten zu reduzieren sowie die akute Gefahr von Schlaganfällen und Herzinfarkten zu bannen, so die Wissenschaftler. Vor allem bei Patienten, die vor dem Eingriff häufig bis zu fünf verschiedene Präparate täglich eingenommen haben , ohne dass sich ein Behandlungserfolg gezeigt habe.
Internationale Studie in Deutschland und Australien
Im Rahmen der Studie wurden über 100 Patienten mit dem neuen Verfahren behandelt. Dabei handelte es sich ausschliesslich um Patienten, die unter schwerem Bluthochdruck litten, der trotz mehrerer Medikamente hartnäckig hoch blieb. Einer vom ihnen berichtete, dass er vor dem Eingriff unter Schlafstörungen, starken Kopfschmerzen und innerer Unruhe gelitten habe. Drei Monate nach der Therapie seien diese Symptome verschwunden und sein Blutdruck, der vorher trotz Medikamenten oft bei 220 gelegen hätte, habe sich auf 128 mmHg normalisiert.
Infolge der positiven Studienergebnisse wurden in der Zwischenzeit weltweit über 500 weitere Patienten dem Eingriff unterzogen.
Volksleiden Bluthochdruck
Bluthochdruck ist eine häufige wie gefährliche Krankheit. In der Schweiz leiden bis zu zwei Millionen Menschen unter zu hohem Blutdruck. Laut Gefässspezialistin Iris Baumgartner vom Inselspital Bern werden rund ein Viertel der Patienten jedoch vergeblich therapiert, d.h. die Werte sinken trotz der Medikamente nicht. Diese sind akut gefährdet einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere Gefässkrankheiten zu erleiden.
Physikalisch gesehen ist der Bluthochdruck die Folge eines erhöhten Herzzeitvolumens oder eines erhöhten Widerstands in den Blutgefässen. Dabei kennt man einige Faktoren, die neben der Veranlagung den Bluthochdruck mit verantworten wie Ernährungsgewohnheiten, übermässiger Alkoholkonsum, Übergewicht oder Stress.
Weitere Anwendungsmöglichkeiten denkbar – z.B. bei Diabetes
Durch Zufall stellten die Forscher fest, dass sich das Verfahren der renalen Denervation auch positiv auf Stoffwechselstörungen auswirken kann. Sie hoffen, dass sie damit in Zukunft auch Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz oder Niereninsuffizienz behandeln können. Doch zunächst müssen noch die Langzeitergebnisse abgewartet werden. Sind die langfristigen Ergebnisse der Studie weiterhin positiv, wird das Verfahren in die reguläre Therapie gegen Bluthochdruck integriert.
Zurzeit wird die renale Denervation wie am Inselspital in Bern nur bei Patienten mit resistentem Bluthochdruck angewendet. Für Iris Baumgartner ist es allerdings denkbar, dass der Kathetereingriff zur Basistherapie gegen Bluthochdruck werden kann. Dadurch könnte auch Patienten mit nur gering erhöhtem Bluthochdruck geholfen und somit Folgeerkrankungen wie Schlaganfall, Herzschädigungen und Demenz vorgebeugt und Medikamentenkosten und -nebenwirkungen gesenkt werden.
Die neuartige Methode könnte eine revolutionäre Therapie im Kampf gegen Bluthochdruck werden – jedenfalls für den Grossteil der Betroffenen.