Anfang März war das Coronavirus für Stephan Feuz noch nicht viel mehr als ein lästiges Ärgernis: Abgesagte Grossveranstaltungen, «Social Distancing», kein Händeschütteln mehr. Um Leben oder Tod ging es aber weit weg von hier. In Italien, in der Westschweiz, im Tessin.
Dann kam der Lockdown am 16. März. Und das Coronavirus wurde zur lebensbedrohlichen Realität.
Die ersten Symptome schienen harmlos: «Plötzlich schmeckte der Kaffee nach Essigsäure. Da habe ich mir noch keine grossen Gedanken gemacht», erinnert sich Stephan Feuz. «Aber am 17. März ging es richtig los mit Gliederschmerzen. Da dachte ich noch ‹nicht schon wieder eine Grippe!›. Ich hatte doch erst im Januar eine.»
Es war nicht die Grippe. Zehn Tage später, an seinem 54. Geburtstag, ist Stephan Feuz ein Corona-Notfall. Hat hohes Fieber. Atemnot. Kommt auf die Intensivstation, ins künstliche Koma, ans Beatmungsgerät.
Wie sich herausstellt, hat seine Lebenspartnerin das Virus aus dem österreichischen St. Anton mit nach Hause gebracht. Sie hatte kaum Symptome, ihn traf’s mit Wucht.
Ein Vollstopp von Hundert auf Null. Und nicht nur die Krankheit selber hat Stephan Feuz zugesetzt. Auch die Intensivstation, das Koma, die Beatmung haben Spuren hinterlassen.
In der Reha werden ihm seine körperlichen Grenzen auf Schritt und Tritt bewusst. «Ich bin 23 Tage überhaupt nicht gelaufen. Und jetzt treiben mich die Wege hier schon in die Schnappatmung...»
Der Lungenfunktionstest zeigt den Grund für die schwache Belastbarkeit: Stephan Feuz schafft erst wieder ein Drittel des normalen Volumens. Erschreckend wenig für den motivierten Patienten, dessen Ziel es eigentlich war, nach drei Wochen einigermassen schmerzfrei und mit guter Atmung aus der Reha zu kommen und dann weiterzuschauen.
Die Prognose von Pneumologe Thomas Sigrist sieht anders aus: «2020 wird wohl ein Jahr im Zeichen von Covid-19 sein. Sie erholen sich, aber es dauert länger, als manch einer sich wünscht. Ich rechne mit sechs bis zwölf Monaten, bis Sie wieder ‹der Alte› sind.»
Monate statt Wochen. Dieser Genickschlag will erst einmal verdaut sein.
Und es kommt schlimmer: Als sich das «Puls»-Team Ende März von Stephan Feuz verabschiedet, sind drei weitere Wochen in der Rehaklinik Barmelweid geplant. Doch 14 Tage später liegt er im Kantonsspital Aarau.
Aus dem Reha-Patienten ist wieder ein Notfall geworden.
Bakterien sind in die geschwächte Lunge eingedrungen und haben dort eine Lungenentzündung ausgelöst.
Wieder hohes Fieber, wieder starke Atemnot. «Wir haben eine vereiterte Brusthöhle vermutet», erklärt Chirurg Franco Gmabazzi, «was dann auch der Fall war.» Der viele Eiter presste einen Lungenflügel richtiggehend zusammen und schränkte so die ohnehin begrenzte Lungenfunktion zusätzlich ein. «Am Ende haben fast zwei Liter Eiter aus dem Brustkorb herausgeholt. So konnte sich die Lunge wieder vollständig ausdehnen, was die Atmung wieder verbessert hat.»
Den restlichen Schleim soll Stephan Feuz nun heraushusten. Eine Tortur, die einmal mehr seine ganze Geduld und Ausdauer erfordert.
Es ist sein 41. Tag in Spital und Klinken. Was mit einem sauren Kaffee begann, hat ihn nun schon wochenlang von seinen Angehörigen isoliert, die aus der Ferne mit ihm leiden. «Es ist für alle eine Belastung, speziell mit diesen Rückschlägen. Wenn ich am Telefon von Fieberschüben oder erneutem Spitalaufenthalt erzähle, ist das ja nicht, was man eigentlich hören will.»
Stephan Feuz’ neuerlicher Spitalaufenthalt ist ein Schritt zurück auf dem ohnehin langen Weg zurück in ein normales Leben. Doch er lässt sich nicht unterkriegen: So bald wie möglich will er zurück in die Rehaklinik. Um sein Aufbauprogramm fortzusetzen und den Kampf gegen die Folgen seiner Covid-19-Infektion mit neuem Mut aufzunehmen.