Trotz der Lockerungen des Corona-Regimes Anfang Woche hat sich für Menschen über 65 grundsätzlich nicht viel geändert: Sie zählen weiterhin pauschal zur Risikogruppe der besonders Gefährdeten – egal, ob fit und gesund oder mit einem chronischen Leiden belastet.
Bei den fitten Seniorinnen und Senioren weckt das immer grösseren Unmut. Entsprechende Klagen bekommt Alain Huber, Direktor von Pro Senectute, vermehrt zu hören. Und auf Nachfrage des SRF-Gesundheitsmagazins «Puls» hält er klar fest: Der Jahrgang allein reicht nicht als Kriterium.
«Die Altersgruppe ab 65 ist sehr heterogen. Da gibt es ganz unterschiedlich gesunde und weniger gesunde Seniorinnen und Senioren. Die kann man nicht einfach alle pauschal als Risikogruppe betrachten.»
Wer stirbt an Covid-19, wer nicht? Statistisch gesehen ist die Sterblichkeit nach einer Covid-Erkrankung sehr deutlich vom Alter abhängig.
Über 80 klar das grösste Risiko
Berechnet auf jeweils 1 Million Personen gleichen Alters ist die Sterblichkeit bei jungen Menschen zunächst sehr gering. Erst ab 50, eindeutiger noch ab 60 Jahren, steigen die Opferzahlen. Richtig deutlich wird es dann ab 70.
Eindeutig am gefährlichsten wird Covid-19 aber den Menschen über 80. In dieser Altersklasse treten im Vergleich klar die meisten Todesfälle auf. In absoluten Zahlen waren es bis Anfang Woche 936 Todesfälle, was in der Schweiz knapp 70 Prozent aller Verstorbenen entspricht.
Altersgrenze höher ansetzen
Wenn das Alter pauschal als Risikokriterium herangezogen wird, müsste man die Limite nicht näher bei 80 Jahren ansetzen? Oder ganz vom Alter wegkommen? Denn was auffällt: 97 Prozent der Verstorbenen hatten mindestens eine Vorerkrankung.
Das Geburtsjahr alleine erscheint Altersmedizinerin Gabriela Bieri als wenig taugliche Messgrösse für die Risikobeurteilung: «Die Kombination mit den anderen Faktoren ist wahrscheinlich ausschlaggebender.»
Das Alter könne man aber nicht völlig ausser Acht lassen: «Das Risiko ist bei einem gesunden 80-Jährigen schon grundsätzlich grösser als bei einem gesunden 65-Jährigen.»
Mit einem Umdenken des Bundes bei der Einteilung der Risikogruppen ist zurzeit nicht zu rechnen. So meinte Patrick Mathys, Leiter Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit am BAG, bei der Medienkonferenz vom 20. April: «Über die Altersgrenze 65 lässt sich streiten. Aber ob 64 oder 66 – je älter, desto grösser das Risiko. Also werden wir weiter empfehlen, die Massnahmen konsequent umzusetzen. Und das wird bis auf Weiteres so bleiben.»
Immerhin: Einen Lichtblick haben die Lockerungen von Anfang Woche dieser Altersgruppe doch noch gebracht: Enkel dürfen wieder in die Arme genommen werden – wenn sie jünger sind als 10 und ihre Eltern auf Distanz bleiben.