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Dank «Hirnstromradar» näher an die Tumore
Aus Puls vom 11.06.2012.
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Dank «Hirnstromradar» näher an die Tumore

Neurochirurgen des Inselspitals in Bern haben als erste weltweit ein Verfahren entwickelt, mit dem sie Tumore im Bewegungszentrum entfernen können, die bisher als nicht operabel galten. Dazu nutzen sie ein Überwachungssystem, das so ähnlich wie eine Einparkhilfe funktioniert.

Bis jetzt galt es als Sperrzone der Neurochirurgie: das Bewegungszentrum, ein wenige Zentimeter grosses Gebiet im Gehirn, das die Arm- und Beinbewegungen steuert. Tumore sind dort sehr schwierig zu entfernen. Die Gefahr, dass man das unsichtbare Bewegungszentrum verletzt und der Patient danach an Armen oder Beinen gelähmt ist, ist sehr gross.

Bis auf zwei Millimeter

Den Neurochirurgen des Inselspitals ist es nun gelungen, das Bewegungszentrum sichtbar zu machen und somit die Entfernung der Tumore zu ermöglichen. Sie haben eine Überwachungsmethode so weiterentwickelt, dass sie sie wie ein Radarsystem nutzen können. Zum Einsatz kommen dabei Mikroströme. Mit einer Sonde stimulieren sie das Gebiet um den Tumor mit Stromstärken zwischen drei und zwanzig Milliampère und erkennen so, wie weit sie noch vom Bewegungszentrum entfernt sind.

Mit Hilfe des Strom-Radars können Chirurgen Tumore operieren, die nur zwei Millimeter von den Bewegungszellen entfernt sind. Damit kommen sie näher an die Tumore heran als jemals zuvor. Das Team um Prof. Andreas Raabe, Chefarzt der Neurochirurgie am Inselspital, hat so bereits über 100 Patienten operiert. «Diese Methode gibt uns Chirurgen ein viel grösseres Mass an Sicherheit, als wir es je hatten», so Andreas Raabe.

Akustisches Warnsignal

Zu Beginn der Operation werden den Patienten Messsonden (feinste Nadeln) in Arme und Beine gesetzt. Wenn der Chirurg während der Operation das Gebiet um das Bewegungszentrum mit Strom stimuliert, löst dies Nervenreize aus, die von den Messsonden registriert werden. Diese Reize sind für das Team auf einem Bildschirm sichtbar.

Aber mindestens so entscheidend ist: Es gibt ein akustisches Warnsignal. Damit hat der Chirurg ein Instrument, ähnlich einer Einparkhilfe beim Auto. Bei den bisherigen 100 Operationen trugen etwa fünf Prozent der Patienten motorische Schäden davon - früher waren es 30 bis 40 Prozent.

Es gibt dennoch Grenzen

Andreas Raabe schätzt, dass die neue Methode in Zukunft bei rund einem Viertel aller Hirntumoroperationen zum Einsatz kommen wird. Aber es werden auch weiterhin nicht alle Tumore entfernt werden können: Ist das Tumorgewebe zu stark mit gesunden Zellen verwachsen, ist eine Operation auch mit dem Strom-Radar nicht möglich. Derart heikle Eingriffe werden nur in Ausnahmefällen durchgeführt und auch nur dann, wenn man davon ausgehen kann, dass der Patient danach wirklich geheilt ist.

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