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Prägender Psychoanalytiker Das Freud'sche Vermächtnis

Vor 75 Jahren starb Sigmund Freud. Viele seiner Theorien wirken heute hanebüchen, doch vergessen sind sie nicht.

Albert Einstein, Charles Darwin – und Sigmund Freud: Wenn es darum geht, welchen Eindruck Forscher im letzten Jahrhundert gesellschaftlich hinterlassen haben, befindet sich der Name des Psychoanalytikers in illustrer Gesellschaft. Ödipus-Komplex, Freud’sche Fehlleistungen, Narzissmus, Tabu, Verdrängung – all diese durch den 1856 im heute tschechischen Freiberg geborenen Mann geprägten Begriffe sind auch heute noch präsent, wenn auch in den meisten Fällen widerlegt oder zumindest zahlreich widersprochen.

Dem Vorzeigeschüler Sigismund Schlomo Freud, wie Freud mit ganzem Namen hiess, standen verschiedene Karrieren offen. Wollte er zuerst den juristischen Weg einschlagen, schwenkte er schnell um. Sein Ziel: die Medizin. Hier fiel der Schwerpunkt seiner Arbeit schnell auf das Gehirn – doch nicht nur auf seine physiologischen Abläufe, sondern auch auf die psychologischen Prozesse. So entstand die «Lehre zur Erklärung der menschlichen Psyche», die den heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen jedoch nicht mehr genügt, schon allein deshalb, weil die Probandenzahl schlicht zu gering war.

Auch andere von Freuds Ansätzen sind inzwischen allenfalls eine historische Anmerkung wert. Dass die Wurzeln der meisten psychischen Probleme in der Sexualität liegen, zweifelten bereits seine damaligen Fachkollegen wie Carl Gustav Jung an.

Freud, der Ödipus

Ähnlich erging es dem Ödipuskomplex: Ihn stützte der Sohn jüdischer Eltern – sein Vater Wollhändler, die 20 Jahre jüngere Mutter aus guter Familie – auf eigene Erfahrungen aus seiner Kindheit. So habe er selbst «die Verliebtheit in die Mutter und die Eifersucht gegen den Vater» bei sich selbst gefunden.

Auch die Freud'schen Versprecher, aus denen sich verborgene Motive und Einstellungen schliessen lassen sollen, zweifeln viele seiner heutigen Kollegen an. Inzwischen geht die Fachwelt einfach von Verwechslungen im Gehirn aus – beispielsweise, wenn Wörter ähnlich klingen.

Die «Couch» jedoch nahm ihren Anfang bei Freud. Hier platzierte er seine Patienten, die ihn in seiner Privatpraxis in Wien aufsuchten, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Hier wurde die Psyche seiner Patienten in zermürbend langen Sitzungen analysiert. Davon sind Psychologen heute abgekommen: Ihnen geht es eher darum, schnelle, gute Lösungen für ihre Patienten zu finden als deren Kräfte durch seelisches Sezieren bei der Ursachenforschung zu verschleissen.

«Verdrängt» wird auch heute noch

Dennoch: Seinen Platz in der Psychologie hat Freud noch heute. Seine Theorie vom bewussten oder unbewussten Verdrängen zum Beispiel: Ein Sohn versteht sich mit seinem Vater nicht. «Das ist aber unerträglich, weil er von diesem Vater – sagen wir, wegen seines Studiums – finanziell abhängig ist. Also muss der negative Teil dieser Gefühlsbeziehung verdrängt werden», erklärt Peter Schneider, Psychoanalytiker, den Ansatz Freuds.

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Das kann funktionieren, was den Vater anbelangt, das Verdrängte kann sich dann aber an anderer Stelle zeigen – zum Beispiel in der Beziehung zu seinen Professoren, das ja ebenfalls ein Abhängigkeitsverhältnis ist. Verdrängung tritt ein, wenn zu viele widersprüchliche Gefühle aufeinanderprallen. «Wenn man seinen Vater nur hasst, dann hasst man ihn eben. Das ist innerpsychisch kein besonderes Problem. Die Verdrängung wird erst da notwendig, wo man seinen Vater liebt, aber sich gleichzeitig abhängig und zur Dankbarkeit gezwungen fühlt.»

Das jedoch passt nicht zur Liebe – und wird deswegen stellvertretend auf einem anderen Kriegsschauplatz ausgetragen. Der Grundstein der Psychoanalyse war gelegt, viele seiner Patienten konnten in langen Gesprächen ihre Probleme so lösen.

Freud selbst jedoch stand in seinen späten Jahren vor einem unlösbaren Problem: In Wien konnte er nicht bleiben, nachdem der Nationalsozialismus sich verbreitet. Als seine Praxis in Wien durchsucht wurde und seine Tochter Anna – eines seiner sechs Kinder – von der Gestapo verhört worden und nur durch Glück entkommen war, emigrierte Sigmund Freud mit seiner Familie über Paris ins Londoner Exil. Schon jahrelang kämpfte der starke Raucher gegen seine Gaumenkrebs-Erkrankung. Nur ein Jahr nach seiner Flucht aus Österreich war seine Kraft aufgebraucht: Ein befreundeter Arzt verabreichte Freud auf dessen Wunsch eine Überdosis Morphin. Sigmund Freud starb am 23. September 1939.

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