- Über eine Million Menschen in der Schweiz nehmen regelmässig oder gelegentlich Säureblocker ein.
- Eine laufende Studie des Instituts für Hausarztmedizin der Universität Zürich zeigt, dass jede(r) Vierte diese Mittel wieder absetzen oder wenigstens reduzieren könnte.
- Weil beim Ausstieg meist zu radikal vorgegangen wird, gelingt er häufig nicht.
Daniel Birchler leidet seit 15 Jahren an seinem sauren Magen. Und genau so lange sind Säureblocker-Tabletten seine treuen Begleiter: «Das ist zu einem richtigen Morgenritual geworden. Nach dem Aufstehen das Gesicht waschen und dazu ein Tablettchen nehmen.»
Bei Reflux-Patienten wie ihm funktioniert der Schliessmuskel am Mageneingang nicht richtig. Der aggressive säurehaltige Magensaft kann deshalb zurück in die Speiseröhre fliessen. Dieses saure Aufstossen kann sogar Kehlkopf und Luftwege verätzen.
Um den Magensaft zu entschärfen, wurden Säureblocker – sogenannte Protonenpumpeninhibitoren (PPI) – entwickelt. Eine medizinische Erfolgsgeschichte mit Schönheitsfehler: PPI werden nicht nur oft und gerne verschrieben, sondern allzu oft auch nicht mehr abgesetzt.
Experten gehen hierzulande von mehreren hunderttausend Patienten aus, die problemlos auf PPI verzichten können.
Dass die Säureblocker trotzdem weiter genommen werden, hat für Hausarzt Stefan Neuner-Jehle zwei Gründe: «Zum einen wirken die Medikamente einfach gut.» Verglichen mit früheren Mitteln sei ihre Entwicklung ein Quantensprung gewesen.
«Und dann liegt es wohl auch an mangelnder Aufmerksamkeit, wenn nach der Behandlung einer akuten Situation nicht mehr daran gedacht wird, die PPI abzusetzen.»
Peter Bauerfeind, Magendarm-Spezialist am Triemlispital Zürich, plädiert aus einfachen Gründen für das zumindest versuchsweise Absetzen von Säureblockern:
- Die regelmässige Einnahme kostet viel Geld, das man sich sparen könnte.
- Medikament, die nicht benötigt werden, sollen prinzipiell nicht weiter eingenommen werden.
Wenn man nicht aufgrund von Magenblutungen, Schmerzmitteleinnahme oder ähnlichem auf Säureblocker angewiesen sei, lohne sich ein Absetzversuch jederzeit: «Die Patienten, die wirklich PPI brauchen, merken es sehr schnell. Und jene, die dann keinen Unterschied merken, können problemlos weiter darauf verzichten.»
Dabei ist zu beachten: Wer die Einnahme der Tabletten einfach kurzerhand einstellt, provoziert damit vorübergehend eine überschiessende Säureproduktion, einen «Rebound». Die Beschwerden sind zurück, der Griff zur lindernden Pille naheliegend.
Stefan Neuner-Jehle kennt die Probleme ungeduldiger Patienten: «Es wird häufig zu radikal vorgegangen.» Um herauszufinden, wie es tatsächlich um den Reflux steht, soll die Säureblocker-Einnahme deshalb schrittweise heruntergefahren werden.
«Bei der ‹Step-Down-Therapie› wird die PPI-Dosis langsam reduziert, was eine Anpassung der tatsächlich benötigten Dosis oder einen kompletten Ausstieg ohne Rebound ermöglicht.»