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Tamiflu - Interview mit Prof. Peter Suter, Swiss Medical Board
Aus Gesundheits-Clips vom 11.04.2014.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 58 Sekunden.

«Der Schweiz fehlt eine unabhängige Instanz»

Die derzeitige «Tamiflu»-Diskussion zeigt: Medikamente halten nicht immer, was sie versprechen. Wie kann man das verhindern?

Bei Grippe statt «Tamiflu» besser einen Kamillentee: Die Kritik an der Wirkung des Grippemittels des Basler Pharmakonzerns Roche scheint das nahezulegen. Das Medikament wirke zu schwach und habe erhebliche Nebenwirkungen, schreibt eine Gruppe internationaler Wissenschaftler und Ärzte vom unabhängigen Forschungsnetzwerk «Cochrane Collaboration». Roche wies den Bericht umgehend und scharf zurück.

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Legende: Privat

Prof. Peter Suter ist Intensivmediziner und Präsident des Trägervereins des Swiss Medical Boards.

SRF: Die Cochrane-Forscher sagen, «Tamiflu» halte nicht, was es verspreche – im Gegenteil. Roche dementiert. Wer hat nun Recht?

Prof. Peter Suter: In diesem Fall ist es nicht ganz klar. Die Cochrane-Studien haben ein ganz, ganz hohes Ansehen und sind wissenschaftlich sehr gut. Was diese Studie neu bringt, müssen wir unbedingt ernst nehmen und auch in der Schweiz schauen, was das bedeutet: Soll dieses Medikament weiter verschrieben werden oder nicht?

Wer spricht da das Machtwort?

Das ist die Rolle einerseits des Bundesamtes für Gesundheit, das sich ja bereits dazu geäussert hat und vorgeschlagen hat, die Daten zu prüfen und noch etwas zuwartet. Andererseits ist da aber auch die Arzneimittelzulassungsbehörde in der Schweiz, das Swissmedic, eine Instanz, die solche Daten unbedingt anschauen muss, wie sie das immer macht, wenn ein solches Medikament oder ein anderes neu zugelassen wird. Was fehlt in der Schweiz ist eine unabhängige Instanz, die regelmässig medikamentöse und andere Behandlungsmittel auf ihre Wirksamkeit, auf ihre Zweckmässigkeit und auf ihre Wirtschaftlichkeit hin untersucht.

«Swiss Medical Board»

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Das «Swiss Medical Board» ist ein unabhängiges Expertengremium, das unter anderem auch das Kosten-Nutzenverhältnis von Medikamenten überprüft.

Über eine solche Expertenkommission oder sogar Behörde wird ja schon seit Jahren diskutiert. Warum geht`s da nicht voran?

Das ist eine gute Frage. Das Parlament hat mehrmals gefordert, dass eine solche Instanz auf nationaler Ebene geschaffen werden muss. Weil die Mühlen in Bern sehr langsam mahlen, haben die Kantone zusammen mit der Ärzteschaft und der Akademie hier die Initiative ergriffen und eine solche Instanz mit sehr bescheidenen Mitteln geschaffen: Das ist das Swiss Medical Board, das hier schon einiges Praktisches geleistet hat.

Aber Sie wären überfordert, wenn Sie flächendeckend Studien überprüfen müssten.

Wenn sie viele Studien überprüfen müssen, dann ja. Sie können pro Jahr etwa drei, vier Themen bearbeiten, und wenn etwas Neues, Akutes – wie jetzt die «Tamiflu»-Problematik – dazukommt, dann reichen die bescheidenen Mittel dazu nicht aus.

Warum sind die Kantone so interessiert an einem unabhängigen Expertengremium?

Die Kantone finanzieren über die Steuern der Einwohner einen grossen Teil unseres Gesundheitssystems, und die Kantone wie die Ärzteschaft und die Akademie der medizinischen Wissenschaften sind interessiert daran, dass dieses Geld möglichst gut eingesetzt wird zum Nutzen des Patienten, und dass keine Behandlungen finanziert werden, die keinen oder einen nicht genügenden Nutzen bringen.

Sie haben vorhin gesagt, es klemmt in Bern. Aber mauern nicht auch die Pharmafirmen? Die geben ihre Daten ja selten frei und deshalb können die Studien von unabhängiger Seite wenig überprüft werden.

Das stimmt. Hier haben wir mit der «Tamiflu»-Geschichte und auch dank Roche, das diese Daten herausgegeben hat, eine gute neue Etappe erreicht. Zum ersten Mal wurden grosse Datensätze, die Patienten betreffen, freigegeben. Ich glaube, dieses Beispiel wird Schule machen. Zu Bern: Wir haben einfach das Gefühl, dass es zu langsam vorwärts geht. Hier muss unbedingt mehr Motivation hinein, damit beispielsweise auch das Swiss Medical Board genutzt werden, um möglichst schnell Erfahrungen zu sammeln und eine solche Instanz in der Schweiz einzusetzen.

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