In der Medizin gibt es fast immer mehrere Behandlungsmöglichkeiten. Und selbst unter Ärzten herrschen viele verschiedene Meinungen darüber, welche Behandlung wann die richtige ist. Als Patient ist es schwierig, den Überblick zu haben. Zwar gibt es im Internet eine Flut von Informationen – nach wie vor ist es aber das wichtigste, wie ein Fachmann die persönliche Situation einschätzt.
Wenn nach dem Aufklärungsgespräch Zweifel herrschen, ob die vorgeschlagene Behandlung auch wirklich die richtige ist, sollte der Patient nicht zögern: Er hat das Recht, die eigene Krankengeschichte einem anderen Arzt vorzulegen und dessen Meinung einzuholen.
Daten gehören dem Patienten
Der beste Weg ist es, den behandelnden Arzt offen darauf anzusprechen, dass man eine zweite Meinung einholen will. Der Arzt ist verpflichtet, dem Patienten alle Untersuchungsergebnisse wie zum Beispiel Röntgenbilder zur Verfügung zu stellen – sie gehören dem Patienten.
Meistens wird der Arzt den Patienten an einen anderen Spezialisten überweisen. Der Patient kann allerdings auch auf eigene Faust einen zweiten Arzt suchen. Kennt er keinen, helfen ihm zum Beispiel die entsprechenden Fachgesellschaften oder eine Patienten-Beratungsstelle weiter. Allerdings sollte der Patient in diesem Falle erst bei seiner Krankenkasse abklären, ob diese den Arztbesuch übernimmt. Ist der Patient zum Beispiel in einem Hausarzt-, Telmed- oder HMO-Modell versichert, kann seine Wahlfreiheit eingeschränkt sein: Die Versicherung übernimmt dann oft nur die Besuche bei bestimmten Vertrauensärzten der Kasse, oder es muss erst eine Telefonkonsultation erfolgen.
Nicht nur via Telefon, sondern auch übers Internet gibt es mittlerweile die Möglichkeit, Zweitmeinungen einzuholen. Medi24 oder Medgate haben zum Beispiel entsprechende Angebote. Untersuchungsdaten und Bilder werden dem Arzt digital übermittelt. Hat der Patient eine sehr konkrete Frage an den Arzt oder sucht er erst einmal eine grobe Orientierung, kann dies hilfreich sein. Für eine umfassende Diagnose aber braucht es weiterhin ein direktes Vis-à-vis .
Krankenkassen zahlen Zweitmeinung
Im Normalfall übernimmt die Krankenkasse die Kosten anstandslos, wenn die Untersuchung wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich ist. Eine zweite Meinung einzuholen, ist auch im Sinne der Versicherung: Voruntersuche sind günstiger als unnötige Operationen. Bei gewissen Leiden wird der Patient sogar von der Krankenkasse verpflichtet, einen zweiten Untersuch machen zu lassen.
Sicherlich angezeigt ist eine Zweitmeinung etwa bei folgenden Eingriffen:
- Entfernung der Gebärmutter, der Prostata oder der Gallenblase
- Hallux-Operation
- Einsetzen künstlicher Gelenke
- Gelenkspiegelung
- Rücken-Operationen
- Mandel-Operationen
- Grauer Star-Operation
- Krampfader-Operation
Stutzig wird die Krankenkasse, wenn ein Befund schon derart klar ist, dass keine weitere Untersuchung nötig ist – zum Beispiel bei einer Grippe oder einem entzündeten Blinddarm. Zudem unterstützt Sie keinen «Arzttourismus»: Wenn der Patient innert kurzer Zeit zahlreiche Ärzte aufsucht, muss die Kasse dies nicht unbedingt finanzieren. Und wer sich im Ausland untersuchen lassen will, sollte auf jeden Fall erst eine Kostengutsprache beantragen.
Kantonswechsel empfohlen
Wer Wert auf eine unabhängige Zweitmeinung legt, sollte den zweiten Arzt nicht im Voraus über den Befund des ersten Arztes informieren. Wer verschweigen will, dass er überhaupt einen ersten Untersuch hatte, muss allerdings damit rechnen, nochmal sämtliche Untersuchungen (zum Beispiel röntgen) wiederholen zu müssen.
Speziell bei grösseren Operationen kann es hilfreich sein, die Zweitmeinung in einem anderen Kanton einzuholen. Denn oft operieren Spitäler in derselben Region nach der gleichen Schule.
Als Grundregel gilt, dass der zweitbeurteilende Arzt die Operation nicht selber durchführen darf.
Gehen Erst- und Zweitmeinung weit auseinander, sollte man sich nicht scheuen, auch noch eine dritte Meinung einzuholen.