Die Wirbelsäule ist eine der Hauptschwachstellen der modernen Gesellschaft – vier von fünf Erwachsene geben an, im Laufe ihres Lebens mindestens einmal Probleme mit dem Kreuz gehabt zu haben, jeder Dritte litt sogar in den letzten 24 Stunden dort unter Schmerzen.
Meist lösen Verschleisserscheinungen der Bandscheiben und der angrenzenden Wirbel die Probleme aus. Besonders problematisch ist das im Bereich der Halswirbelsäule. Denn die abgenutzten Bandscheiben der Halswirbel können den Wirbelkanal einengen und das darin verlaufende Rückenmark quetschen und schädigen. Oft bilden sich an den Wirbelrändern Zacken, die den Druck auf das sensible Rückenmark zusätzlich verstärken. Ärzte sprechen dann von einer «zervikalen Myelopathie».
Vielfältige Symptome
Durch das gequetschte Rückenmark kann es zu Störungen der Feinmotorik und zu Schwäche und Gefühlsstörungen in den Armen und Beinen kommen. Oft leiden Betroffene auch unter einer Gangunsicherheit, können Blase oder Darm nicht mehr richtig kontrollieren oder erleben Potenzprobleme. Auch Schmerzen in Schulter und Arm sind häufig. Die Symptome verstärken sich schleichend und unterscheiden sich je nach Lage und Ausprägung der Einengung. Ist die zervikale Myelopathie weit fortgeschritten, können sogar Lähmungen der Arme oder Beine auftreten.
Erschwerte Diagnosestellung
Oft vergehen Jahre zwischen den ersten Symptomen und der richtigen Diagnose. Grund dafür sind die diffusen Anfangssymptome: Anfangs leiden die Betroffenen noch nicht unter Schmerzen. Auch die für die zervikale Myelopathie typischen Gefühlsstörungen der Hände oder Gangstörungen insbesondere bei Dunkelheit können vielerlei Ursachen haben.
Besteht einmal der Verdacht, dass ein eingeengtes Rückenmark an den Beschwerden schuld sein könnte, fällen die Ärzte ihre Diagnose nach Erhebung der Krankengeschichte und klinisch-neurologischen Untersuchungen vor allem durch Bilder des Magnetresonanztomographen (MRI). Falls eine zervikale Myelopathie vorliegt, ist die Einengung des Rückenmarks auf den MRI-Bildern klar ersichtlich.
Therapie
Solange die gesundheitlichen Einschränkungen noch tragbar sind – z. B. noch keine Lähmungen vorliegen – können Physiotherapie und muskelentspannende und schmerzstillende Medikamente Linderung verschaffen und die Schädigung aufhalten. Ist das Rückenmark jedoch bereits eingeengt, muss operiert werden, um Lähmungen zu verhindern. Dabei ersetzen Chirurgen die abgenutzten Bandscheiben durch spezielle Kunststoffimplantate («Cages») und entfernen knöcherne Ablagerungen an den Rändern der Halswirbel. Damit wird dem Rückenmark wieder genügend Platz verschafft.
Nach dem Eingriff sollten sich die Beschwerden innerhalb von Wochen bis Monaten deutlich bessern. Ist das Rückenmark durch die Einengung jedoch bereits geschädigt, können die Beschwerden auch danach noch fortbestehen. Eine Operation kann zwar verhindern, dass es zu weiteren Verletzungen des Rückenmarks kommt, einmal beschädigtes Rückenmark kann sie jedoch nicht wieder heilen.
Risiken der Operation
Durch den Zugang zur Halswirbelsäule im Halsbereich können im Anschluss an die Operation Schluckstörungen oder Heiserkeit auftreten. Selten sind Wundkomplikationen; sie können jedoch lebensbedrohlich werden, wenn sich Abszesse bilden. Zudem können sich in seltenen Fällen die Kunststoffimplantate lockern oder in die Wirbel einsinken. Meist ist dies jedoch nicht behandlungsbedürftig.
Es besteht während der Operation auch immer das geringe Risiko, dass das Rückenmark oder ein Nerv verletzt wird oder dass es Nachblutungen in den Rückenmarkskanal (auch Spinalkanal genannt) gibt.
Vorbeugende Massnahmen
Gegen die Schädigung des Rückenmarkes hilft nur ausreichend Platz im Spinalkanal. Gegen die Abnutzung der Wirbelsäule und die reaktive Verengung gibt es jedoch keine Patentrezepte. Die wichtigsten vorbeugenden Massnahmen sind eine starke und gesunde Nackenmuskulatur und eine entspannte Kopfhaltung. Langes Arbeiten mit gebeugtem Nacken oder das Einklemmen des Telefons zwischen Kopf und Schulter setzen der Nackenwirbelsäule zu.
Optimalerweise sollte beim Arbeiten am Bildschirm der Blick möglichst geradeaus gehen. Auch langes Überkopf-Arbeiten oder das häufige Tragen schwerer Lasten auf dem Kopf kann die Abnutzung der Wirbelsäule beschleunigen.