Meine Mutter hat mit 66 Diabetes bekommen. Ich selbst werde bald 40. Ist die Krankheit vererbbar, und soll ich mich nun auch abklären lassen?
Dr. Borm: Ja, die Krankheit ist vererbbar, und natürlich hat man häufig auch ähnliche Lebensgewohnheiten in Bezug auf körperliche Aktivität und Ernährung. Von daher ist es sicher sinnvoll, einmal den Nüchtern-Glucose-Wert oder den Langzeit-Blutzucker (HbA1c) untersuchen zu lassen.
In meinem Umfeld haben einige Kolleginnen und Kollegen Diabetes. Kann ich präventiv etwas machen, damit ich sicher nie Diabetes bekomme?
Man kann den Diabetes nicht absolut verhindern, gerade für den Typ 1 Diabetes mellitus kann man selbst präventiv wenig tun.
Man kann aber sehr viel dafür tun, dass ein allfälliger Typ 2 Diabetes mellitus erst viel später auftritt und dass er lange mit sogenannten oralen Antidiabetika (Tabletten für die Behandlung des Typ-2-Diabetes) behandelt werden kann. Und schliesslich kann man selbst dafür sorgen, dass Folgeerkrankungen nicht oder sehr selten auftreten. Die wichtigsten Massnahmen sind eine regelmässige körperliche Aktivität – zum Beispiel Ausdauersport, flottes Spazierengehen, Velofahren oder Schwimmen –, eine vernünftige Ernährung, das heisst «mediterran», fettarm mit weitgehendem Verzicht auf Süssgetränke und Vermeidung eines deutlichen Übergewichts.
Meinem Grossvater musste wegen Diabetes der Fuss abgenommen werden. Als Laie sehe ich keinen Zusammenhang zwischen zu hohem Zucker und einer Fussamputation. Wie kommt es dazu?
Es liegt daran, dass über die Jahre durch den Zucker die Nerven geschädigt werden, die wichtige Schmerzinformationen zum Gehirn vermitteln sollen. Zusätzlich kann durch Rauchen, hohen Blutdruck und hohes Cholesterin auch die Blutversorgung der Füsse geschädigt werden.
Kommt es nun nach einem länger, schlecht eingestellten Diabetes zur Nervenschädigung und einer Verletzung oder Druckstelle an den Füssen, fallen die Schmerzen als Signal weg, und die Menschen laufen weiter auf ihrer Verletzung herum. Und dies oft so lange, bis es zu einer Infektion kommt. Diese kann dann wegen der beeinträchtigten Durchblutung nicht mehr abheilen.
Dies ist vermeidbar durch rechtzeitige Sorge um den Diabetes (gute Blutzuckereinstellung) und später durch Tragen von speziell angepasstem Schuhwerk.
Mein Blutzucker liegt im Bereich von 7,5. Ich nehme aktuell deshalb Medikamente. Mein Arzt hat mir zudem zu einer Lebensstiländerung mit mehr Bewegung und gesünderer Ernährung geraten. Sind Sie gleicher Meinung?
Auf jeden Fall. Die Lebensstiländerungen mit Bewegung, Ernährung und Gewichtsabnahme sind die Grundpfeiler jeder erfolgreichen Diabetestherapie; ohne diese Therapie können die Medikamente meist nicht wirken. Und zusätzlich bessern sich dadurch auch noch relevante Risikofaktoren wie Bluthochdruck und zu hohe Cholesterinwerte.
Zusätzlich sind aber auch noch der Langzeitblutzucker und das Alter mit einzubeziehen: Es könnte ja sein, dass der Blutzucker tagsüber noch viel höher ist, und es dann doch Medikamente braucht. Bei sehr alten Patienten hingegen ist man grosszügiger mit den Zielwerten, da sie durch niedrige Blutzuckerwerte eher gefährdet wären und da sie häufig allfällige Folgeerkrankungen gar nicht mehr erleben würden.
Ich mache seit zwei Jahren fünf Mal die Woche eine Stunde Sport und habe meine Ernährung auf viel Gemüse und Salat und wenig Kohlenhydrate umgestellt. Meine Blutzuckerwerte sind so wieder in den Bereich um 5 gekommen. Auf Medikamente kann ich auch verzichten. Muss ich diesen Lebensstil nun «lebenslänglich» beibehalten?
Weitgehend ja, denn dann kann der Diabetes lange ohne Tabletten oder Insulin behandelt werden. Je nachlässiger Sie bezüglich ihres Lebensstiles langfristig sind, desto schneller steigen die Blutzuckerwerte wieder. Ob es dafür fünf Mal die Woche Sport braucht, sei dahingestellt, aber es ist erwiesen, dass regelmässige körperliche Aktivität, das heisst 30 Minuten und mehr täglich, langfristig hilft, den Diabetes und die Risikofaktoren im Griff zu behalten.